haasis:wortgeburten

 


GESCHEITERTE ZWEITE PROMOTION

 

------ Original-Nachricht --------
> Datum: Thu, 18 Oct 2007 17:47:47 +0200
> Von: "Horst F. Rupp" Prof. für Evang. Theologie, Würzburg> An: "Hellmut Haasis" <hellmut.g.haasis@gmx.de>
> Betreff: gescheiterte Promotion (die zweite)

lieber herr rupp,

das promotionsverfahren in potsdam hat sich nach 7 jahren (sieben!!!) als eine geisterbahn herausgestellt.

Zuerst war der dekan dafür, ist aber im folgenden jahr gestorben. Der neue dekan, erst 40 jahre und als wissenschaftler bei den studenten nicht angekommen, stand von anfang an feindselig gegen meinen versuch, von außen zu kommen mit einem gedruckten buch.

Zuerst hackten sie auf den fehlenden fußnoten herum. In 3 (!) monaten habe ich das nachgearbeitet. War für die katz.

Ab jetzt führte immer der dekan die knappe mehrheit der gegner in der 5köpfigen kommission gegen mich an. Mal fehlten ihm in meinem fertigen buch weitere 10-15 kapitel: über das hoffaktorentum allgemein, über die juden in württemberg, über die landstände, über den herzog, über das wirtschaftsleben im merkantilismus usw.

Dann fiel ihm bei einem späteren stadium (er hat praktisch ständig nachgelegt, mit der absicht, die hürden immer mehr zu erhöhen) meiner widersprüche ein, ich würde viel zu ausführlich zitieren, aus den archivalien.

Der gute herr ist offenbar ein überflieger, der auf quellen höchstens pauschal verweist, aber niemand die möglichkeit eröffnet, die textstellen selbst kennenzulernen. es gehört ab bei mir zum demokratischen grundcharakter wissenschaftlicher arbeit, dass man die belegstellen durchsichtig macht. Ich bin mir absolut sicher, dass keiner der leser jemals auch nur eine einzige originalstelle in den unlesbaren, ja sogar unerreichbaren archivalien nachlesen, geschweige denn überprüfen kann. also gebe ich bei wichtigen stellen den wortlaut selbst wieder, dann kann man sich sein eigenes urteil bilden, ob meine folgerung daraus begründet ist oder nicht.

mein hauptgegner hat zu spötteln angefangen, ich würde lächerlich gründlich weite teile der quellen wiedergeben. Dazu bleibt mir nix mehr zu sagen.

prof. julius h. schoeps hat mir geraten, den klageweg über das verwaltungsgericht einzuschlagen. Ich hab mich nochmals 1,5 jahre mit einem anwalt abgegeben. Hoffnungslose branche. Der hat mir natürlich zugeraten, aber als ich mir endlich alleine überlegte, wozu ich die feindseligen historiker eigentlich gerichtlich zwingen kann, hab ich folgendes erkannt:

Selbst wenn ich vom verwaltungsgericht in 2 instanzen recht bekomme und zur prüfung zugelassen werden muss – was 3-4 jahre dauern kann – bin ich nur zugelassen zur mündlichen prüfung. Dort habe ich erneut eine mehrheitlich gegnerische kommission vor mir. Und es ist für diesen typ von besserwisser ein leichtes, mich mit einer menge übelster fangfragen so in die enge zu drängen, dass ich nicht gut aussehe und nicht mal eine 4 erreiche. fazit: durchgefallen.

Wenn ich gute zeugen dabei habe und einen vereidigten protokollanten (man stelle sich den aufwand vor, damit es justiziabel bleibt), dauert das glatte 3-4 jahre. usw.

Mir wurde endlich klar, aus den 7 jahren promotion werden ingesamt 10 und mehr. Dem steht keinerlei nutzen mehr gegenüber. niemand will heute zu zeiten bloß ökonomischer rentabilität wissen, ob ich wissenschaftlich anerkannt wurde oder nicht. Hauptsache: der autor macht hohe umsätze.

Also hab ich die frist des einspruchs nach der letzten ablehnung verstreichen lassen, die arbeit in den wind geschrieben. Sie ist nun in den bibliotheken, die einzige biografiche standardarbeit zu süß und von einem gewissenhaften japaner übersetzt, der mit mir in einem erfreulich interessierten mail-wechsel stand.

Umso schärfer beobachte ich, was nach mir andere promovierte leute über süß schreiben. durch die bank unsinn, nie nach den quellen, immer so fröhlich vor sich hingefaselt. Meine arbeit liest man kaum, sie gehört ja zu keiner der führenden historikerzünfte. Ist sozusagen nicht zertifiziert.

Im anhang können sie sich daran vergnügen, wie ich die erste süß-ausstellung im hauptstaatsarchiv stuttgart beurteilt habe. Vieles dürfte ihnen bekannt sein – die stimme des opfers und der juden generell unter den tisch fallen zu lassen. – da ist viel platz.

Ich strebe eine große süß-ausstellung an, hauptpunkt: justizmord. wie funktionierte der? Wer machte das? Wie? warum? Mit welchen mitteln? Mit welcher strategie der vertuschung? Wie konnte die so gut klappen? (u.a. niemand las bisher die quellen, ist allen klugscheißern einfach zu viel, 7,5 m akten!!!)

wenn sie mir einen tipp haben, wie ich zu einer großen ausstellung komme, immerzu, ich höre gerne ratschläge.

Anonsten geht es mir gut. Zu elser plane ich einen kinofilm. Vielleicht etwas zu groß für mich, weil ich ja keine fraktion hinter mir habe, keine politische, keine kulturelle, keine finanzielle. Nix von den üblichen seilschaften.

Ciao
tanti saluti
hellmut g. haasis
18. 10. 07

 

> Lieber Herr Haasis,
>
> Dank für Ihr Lebenszeichen mit dem Bericht über Ihr Elser-Stück! Ich
> habe
> mich gefreut, einmal wieder etwas von Ihnen zu hören!
>
> Wie geht es Ihnen?
>
> Konnten Sie eigentlich Ihr Promotionsvorhaben bei Schoeps in Potsdam noch
> erfolgreich über die Bühne bringen? Das hoffe ich doch sehr für Sie!
>
> Wie ich von einem Freund - der bei dem Abschiedssymposion dabei war -
> erfahren habe, ist Schoeps in diesem Sommer in den Ruhestand
> verabschiedet
> worden.
>
> Aus Würzburg grüßt Sie herzlich
>
> Ihr
>
> Horst F. Rupp

 

 

 

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