haasis:wortgeburten



rede bei der FREIRAUMDEMO des autonomen zentrums ZELLE vor dem reutlinger bahnhof 26. mai 2012,


von hellmut g. haasis (gleichzeitig sein jubiläum 50 jahre berufsdemonstrant)

die reutlinger oberbürgermeisterin barbara bosch verhandelt auf augenhöhe mit dem autonomen zentrum zelle, reutlingen (hans ticha: illustration zu karel capeks roman: der krieg mit den molchen, 1936)


hallo, freundinnen und freunde des freiraums. als ich euren aufruf zur demo las, staunte ich so große bauklötze, dass mir vom reutlinger ordnungsamt eine aufforderung ins haus flatterte, ich solle diese bauklötze sofort wegräumen, sonst müsste ich eine konzession für ein baugeschäft beantragen.

wer hatte unterschrieben? natürlich der unselige albert keppler, chef des aufräum- und verordnungsamts auf dem reutlinger rathaus.

ihr habt absolut recht: ja keine gaststättenkonzession beantragen. das wär ein schwachsinn hoch vier, so viel stockwerke hat das reutlinger rathaus.

wenn ihr euch so was aufs aug drücken lasst, läuft künftig nichts mehr, - und das ist die absicht - außer kleine, handverlesene geburtstagys für eine elitejugend von SCHNARCHSÄCKEN.

was albert keppler da zusammengebastelt hat, stinkt gegen den wind.

den geruch kenn ich seit 50 jahren. eure freiraum-demo fällt zusammen mit meinem 50jährigen dienstjubiläum als BERUFSDEMONSTRANT.
ein wunder!

ihr entsinnt euch an den ruhmlos verschwundenen KINDERPRÜGLER MAPPUS vom stuttgarter schlosspark. der wollte uns anhänger des kopfbahnhofs verschreien als berufsdemonstranten.

für mich eher eine ehrung.

vor 50 jahren hab ich mich erstmals auf der straße beim politischen spaziergang geübt. die demokratiefeindliche adenauer-regierung ließ 1962 die redaktion des „spiegels“ durch WILDE POLIZEIHORDEN überfallen.

angeblich LANDESVERRAT.

hinterher sahen die redaktionsräume so verwüstet aus, wie es halt NUR die polizei hinbringt.
das waren damals unsere FUNDAMENTALISTEN und SALAFISTEN.

ein lebensmüder spiegel-journalist getraute sich, einen polizisten zu fragen, was sie sich dabei gedacht hätten?

„ganz einfach, wir dachten halt, das sei eine normale kommunistensache. das machen wir immer so.“

was glaubt ihr, mit wie vielen anderen studenten ich mich danach erstmals auf der straße getummelt hab? es war in tübingen –

wir waren 300.

alles fängt klein an. spott von presseleuten, wir seien so wenig, gibt’s immer. später, in den hochzeiten der außerparlamentarischen opposition, wurden wir mehr. da war’s ihnen wieder nicht recht.

schon damals weinten wir bitterlich über die RECHENSCHWÄCHE DER POLIZEI, dass sie unsere teilnehmerzahlen um ein drittel oder zur hälfte herunterlogen.

bei allen demonstrationen hab ich neben dem mainstream gelegen, aber gerne.

besserwisser waren immer in der mehrheit. gehässige kommentare von spießbürgern gab’s umsonst und reichlich.

und langfristig? bekamen wir fast immer recht.

die adenauer-regierung wollte damals atomwaffen. dagegen zogen die ostermärsche durchs land. wir waren alle vom osten gesteuert, wir hatten nur rubel in der hosentasche, - aber wie viele. die hosen hingen uns verdächtig tief herunter.

die geschichte hat uns recht gegeben. merkel muss OHNE ATOMWAFFEN in viele länder einmarschieren.

heute darf die polizei keine zeitung mehr überfallen, die was kritisches schreibt.

hier in reutlingen war das beim GENERALANZEIGER nie ein problem, der hat sich immer im rechten spektrum herumgetrieben:

staatstragend, arschkriecherisch gegen die obrigkeit, boshaft gegen demonstrierende und falsch wählende bürger, desinformierend, wenn es um lebensinteressen der basis geht.

deshalb heißt er im volksmund GENERALVERSCHWEIGER. und wenn die polizei, wie in eurem fall, sprayer sucht, kann sie sicher sein, der GEA wird sofort zur jagd auf untergrundkünstler auffordern.

eine zeitung als POLIZEIORGAN.
PFUI, was für eine schande für diesen petzenden journalismus.

der GEA meistens einseitig und rechts, mal verstummt er, egal, wie dringend das problem ist.

und jetzt, wo der konflikt so richtig in fahrt kommt, weil ihr nicht kuscht, da beschließt die chefetage, sie werde einfach nicht mehr berichten.

das ist eine SELBST GEBASTELTE PRESSEZENSUR. putin und schröder haben ihre freude am gea.

seit 44 jahren gibt’s ärger mit der zelle. wenn reutlinger polizisten besucher von festen, konzerten, partys nach papieren fragen und einschüchtern, ist das eine unverschämtheit, aber hierzulande normal.

in den treffpunkten der oberen herrschaften trauen sie sich nicht, so aufzutreten.

es gilt festzuhalten: im stadtgebiet liegt die verantwortung für die polizei ausschließlich bei der rathauschefin, bei frau bosch.

jawohl, die chefin muss viel deutlicher angesprochen werden. sie gehört zentral zum skandal,

sie IST der skandal.

die absicht des ordnungsamts, die zelle in eine reglementierte kneipe umzuwandeln, geht auf ihre kappe.

albert keppler getraut sich nicht, einen so peinlichen fehltritt ohne auftrag seiner chefin zu machen.

also halten wir uns nicht bloß an das kleine licht keppler, sondern an den leuchtturm bosch. aber die oberbürgermeisterin blickt in ihrem haus schon lange nicht mehr durch.

woher ich das weiß? nein nicht vom GEA, richtig berichtet der nur über die termine der müllabfuhr.

frau bosch hat einen drang nach ALLMACHT, sie reißt eine baustelle nach der andern an sich. mal erklärt sie, kultur sei sache der chefin. dann ist’s der glänzende steg über den zob.

jetzt hat’s halt die zelle erwischt, auch sache der chefin. aber als ihr mit ihr reden wolltet, ruderte sie weg, da müssten verschiedene ämter einberufen werden. typisch chefin. sie taucht ab.

mit dem RÜDEN AMTSSTIL der baubürgermeisterin schiebt frau bosch ein weiteres problem vor sich her.

sie gehört zu den letzten anhängerinnen von helmut kohl. dessen devise: AUSSITZEN. AUSSITZEN.

aber davon wird ja bloß der arsch breiter, gelöst wird so kein problem.

inzwischen stößt es vielen stadträten übel auf, dass frau bosch eine menge von anfragen an die verwaltung nicht mehr beantworten lässt.

autoritär, wie sie regiert, dürfen die fachleute nichts selbstständig machen, alles will sie dirigieren. ergebnis: keine antwort.

neulich hatte ein stadtrat die nase voll und kündigte ihr an, er werde bei gericht eine klage wegen untätigkeit erheben.

wie reagiert die überforderte chefin? als sie den gewählten vertreter der bürgerschaft das nächste mal sah, brüllte sie ihn so an, dass dem ganz heimlich gute ideen kamen.

welche? – verrate ich besser nicht.

frau bosch täte gut daran, den amtsleiter albert keppler zurückzupfeifen.

weg mit der kneipenkonzession,
faire verhandlungen mit der zelle.

wie heißt das heute geschwollen?

AUF AUGENHÖHE.
aber bitte ohne schläge ins auge.

und an einem tisch, aber es bringt nichts, die zelle über den tisch ziehen zu wollen.

als frau bosch gewählt werden wollte, faselte sie noch von bürgernähe, transparenz und wie sonst die billigen LEERFORMELN heißen.

jetzt könnte sie ein problem in ordnung bringen. ob es ihr gelingen wird? man soll immer hoffen, doch realistischer ist, dass weiterhin ihr euch bewegt, zu mehr und noch grundsätzlicherem widerstand.

es war die richtige idee, euch mit jungen leuten aus anderen städten und jugendzentren hier zu treffen. wenn man neue leute kennen lernt, entstehen neue, vorwärts weisende projekte.

ihr seid nicht allein, auch wenn der GEA euch mit VERSCHWIEGEN bestrafen sollte.

eure eigenen texte sind kastrierten berichten sowieso überlegen.

als berufsdemonstrant beglückwünsche ich euch zu eurem weg.

weiter so
OHNE BOSSE,
SELBSTVERANTWORTLICH,
SOLIDARISCH MITEINANDER.

schon wieder ein postmodernes gedicht.

so kriegt ihr in eurer umgebung die spießbürgerlichkeit weg, die auch in reutlingen kräftig blüht.

ich verabschiede mich als freund der italienischen kultur:

AVANTI
AVANTI DILETTANTI

dilettanten sind wir alle,
aber die im rathaus noch weit mehr,
und die kriegen viel geld dafür,
UNSER GELD.

frau bosch, bewegen sie sich, aber ohne gewalt.
ihre strategie mit keppler ist NICHTS ALS GEWALT.

und noch ein gedicht:

SCHIESST BOSCH UND KEPPLER AUF DEN MOND
DAS WÄR RAUMFAHRT, DIE SICH LOHNT


 

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