DER CLOWN IST NUR EINE TÄTIGKEIT VON VIELEN
Gültstein: Hellmut G. Haasis unterhält mit Mundart in der Grundschule
von Thomas Morawitzky
Eigentlich ist er ja alles Mögliche: Buchautor, Historiker, Verleger, grantiger Anti-Nazi, ehemaliger Gemeinderat in Reutlingen. Am Donnerstag aber war Hellmut G. Haasis etwas ganz anderes: der Mann mit der roten Stempelnase und dem Zylinder, der Mundartclown „Druiknui“ für die Kinder der Gültsteiner Grundschule.
Dort trat der 68-Jährige am Donnerstagvormittag zweimal auf, ein klassischer Clown mit weiß geschminktem Mund, rot-schwarz-kariertem Hemd, Hosenträgern, weißen Handschuhen und rustikalen braunen Beinkleidern.
„Druiknui“, erklärt er, heiße „Dreiknie“ – was daher komme, dass ein Mensch, drehe er sich nur schnell genug um, drei Knie habe.
Haasis ist eine Clownsfigur, wie man sie so alt und kauzig nur sehr selten erlebt, und er hat sichtlich ebenso Freude an seinem Auftritt, wie die Kinder, die ihm zusehen, bei seinen Albereien und Zirkus-Kunststückchen.
Zum ersten Mal, erzählt Hellmut G. Haasis, trat er als Clown geschminkt auf vor 30 Jahren, damals allerdings noch nicht vor Kindern, das kam zwei Jahre später. Dem Hobby ist er seither treu geblieben – „Das ist für die Seele“, sagt er.
Haasis ist dabei nicht nur überzeugter Schwabe, sondern auch überzeugtes Landei: Am liebsten spielt er auf den Dörfern. „Die Kinder dort sind viel ruhiger als die Stadtkinder.“ Und sie sind auch gescheiter, findet er: „Das geistige Potenzial liegt auf dem Land.“
In Gültstein zumindest konnte er sein Publikum begeistern, mit schrulligem Charme.
Haasis kämpft auch in anderer Hinsicht für das Landvolk. Am bekanntesten wurde der 1942 in Mühlacker geborene Autor als Biograf des Hitler-Attentäters Georg Elser. „Den Hitler jag ich in die Luft“ heißt das Buch, erschienen erstmals 1999, seit 2009 wieder lieferbar in überarbeiteter Neuauflage der Edition Nautilus.
Elser ist eine Figur, die dem streitbaren Reutlinger Haasis besonders am Herzen liegt – eben ein Mann vom Land, kein lange ausgebildeter Generalstäbler wie Stauffenberg, sondern ein Tischler, der, als Einzelgänger, in einem kleinen Ort auf der Ostalb, Königsbronn, geduldig an der Bombe bastelte, mit der er Adolf Hitler und die gesamte NS-Führungsspitze im Münchner Bürgerbräukeller am 8. November 1939 in die Luft jagen wollte.
Heute gilt es als sicher, dass Elser, hätte er mit seinem Unternehmen Erfolg gehabt, gute Chancen gehabt hätte, das größte Verbrechen des 20. Jahrhunderts, den Holocaust, zu verhindern. Elsers Attentat scheiterte an einer Kleinigkeit: Hitler brach seine Rede im Bürgerbräukeller des schlechten Wetters halber früher ab. Die Bombe explodierte wie vorgesehen, der Diktator jedoch war schon weg. Elser wurde wiederum aufgrund eines Zufalls verhaftet, lange gefoltert und mit Drogen gefüllt.
Im Jahr 2003 erschien eine Sondermarke der Post, die nicht mehr das Bild des geschundenen und aufgequollenen Attentäters zeigt. Dass Georg Elser vielen heute noch als irrer Einzelgänger gilt und in Geschichtsbüchern meist gar nicht erwähnt wird, erzürnt nicht nur Haasis.
Bei einem Auftritt des Autors anlässlich der Neuauflage seines Buches vor wenigen Wochen schloss sich an die Lesung im Stuttgarter Theaterhaus eine lange Diskussion an. Für Hellmut G. Haasis ist der Hitler-Attentäter eine Integrationsfigur: Der Schwabe eben, der kein Mitläufer und kein Nationalsozialist war, ein ganz rares Pflänzchen.
Schwabe ist und bleibt auch der Autor, der sich als Dramatiker, Erzähler, Märchenclown und „Ausgräber von Freiheitsbewegungen“ betätigt, durch und durch. In Herrenberg war er schon einmal („Der schönste Friedhof, neben dem man essen kann“), in Gültstein noch nie.
Dort hüpfte er am Donnerstag mit seinem kleinen Akkordeon – „ein alter Fußball“, wie er behauptet – auf und ab, spielte für die Kinder Kuchenlieder und erzählte vom Eisenbahnfahren: „I fahr gern Eisenbahn, da kann i nix verkehrt mache, bloß das Umsteiga isch gefährlich.“
(Gäubote, Herrenberg, 5. März 2010)
DRUIKNUI März 2010 in Gültstein (Herrenberg)
Foto: Gabriel Holom, Gäubote (Herrenberg)