Elser, Nachträge zur Biographie
Nachtrag Nr. 28
Elser-Biograf HELLMUT G. HAASIS verwirft das Elser-Stück Dieter de Lazzer + Felix Huby: Georg Elser – allein gegen Hitler. Ein Volksstück. Uraufführung im Theater Lindenhof Melchingen
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Am 8. November 1939 fehlten dem schwäbischen Schreiner Georg Elser von Königsbronn (bei Ulm/Donau) nur 13 Minuten, und er hätte uns, hätte Europa, hätte die europäische Judenschaft und unsere Behinderten vor dem Brandstifter aus Braunau bewahrt.
Seine Zeitzünderanlage ging im Münchner Bürgerbräukeller um 21.20 Uhr los, genau wie von Elser eingestellt. Gewöhnlich sprach Hitler von 20.30 bis 22.30 Uhr. Es hätte also gereicht. Nur dieses Jahr war er beim Veteranentreffen in Erinnerung an den fehlgeschlagenen Putsch von 1923 schon nach einer Stunde gegangen, 21.07 Uhr. Er wollte möglichst rasch mit dem Nachtzug nach Berlin zurück, um den Einmarsch nach Frankreich vorzubereiten.
Eisenträger und drei Meter Schutt lagen an der Stelle, wo Hitler und seine Mordkumpane dem Weltkrieg entgegen gebrüllt hatten. Der Kriegstreiber samt seinen potentiellen Nachfolgern hätten es nicht überlebt, der braune Spuk wäre wohl nicht ganz vorüber gewesen, aber die ärgsten Einpeitscher wären unter dem Schutt begraben gewesen.
Doch dieser Georg Elser kann bei uns noch immer kaum Anerkennung finden. Warum? Niemand will es zugeben, aber noch immer herrscht der Wunsch vor, von Tat und Täter nichts hören zu wollen. Die modernen Deutschen führen sich pro Jahr in Krimi, Thriller usw. über 15.000 Morde zu Gemüte, aber wenn es an den großen Führer geht ….
NEIN NEIN NEIN
das darf nicht sein.
Im Melchinger Theater – was wird das geben? Das Bühnenbild wenigstens verspricht, es werde wenigstens besser kommen, als bei der umgestülpten Zitatesammlung über Stauffenberg, vor einigen Wochen.
http://haasis-wortgeburten.anares.org/stauffenberg/
Auf der Bühne rechts und links je ein Wirtshaustisch. Was dürfen wir daraus schließen? Das“Volk“ wird durstig sein - aber dem Wirtshaus traue ich nicht zu, ein Ort geistig-politischer Aufklärung zu sein.
Ob Stammtische den Abend tragen werden – und den Holzarbeiter, der allein sein will, verschwiegen – und einfach nur handeln? Den wird man in der Kneipe ja wohl zum Schwätzen bringen müssen –
also genau zum Gegenteil dessen, was er immer war.
Die Bühne schließt nach hinten ab mit einem zweiflügeligen Hoftor. Da wenigstens könnten Überraschungen reinkommen. In der Mitte des Raumes freistehend ein Klavierstuhl.
Beim Beginn liegen Tote auf der Bühne herum. Sind sie durch Elsers Anschlag gefällt? Oder sind sie nur besoffen? Oder auf ihrem inneren Friedhof?
Das Totenfeld müsste endlich tätig werden, da schlendert ein Mädchen herein, ungefähr acht Jahre alt. Die Tochter des Hauptdarstellers Elsers, des Bernd Hurm. Lieb anzusehen, sie geht couragiert über den Friedhof. Eine versöhnliche Geste für schwäbische Gemüter, eine Funktion erfüllt sie nicht.
Diese Szene erinnert mich dumpf an das Hayinger Volkstheater, das wir seit 1976 fleißig gesehen haben, geschrieben von Martin Schleker.
Jahrzehntelang lag im Sommer auf unserer Theaterlandschaft wie ein Fluch der Hayinger Verlust jeden roten Fadens: alles ein Durcheinander, hier ein Seitenpfad, dort eine Ablenkung, kein Zug in den Geschichten.
Auch dort vieles ohne Funktion, aber immerhin war die Fahrt einer gelben Postkutsche über die Bühne des Naturtheaters ein Theaterereignis für sich. Und noch eine Kuh und eine Ziege dazu. Über einige schwäbische Scherze waren wir schon froh.
In Melchingen nun: Auf den Namen „Elser“ stehen alle Tote auf. Wie bei Dornröschen sei der Schlaf nach 100 Jahren abrupt beendet. Elser – der neue Prinz? Das Stück ein neues Märchen?
Der alldeutsche Schlaf über Elsers Tat wird sich 2009 immerhin zum 70. mal jähren.
Eine Vorgeschichte hinter den Kulissen ließ mich Böses ahnen. Der Theaterleitung hatte ich das Thema Elser vorgeschlagen.
„Noi noi, mir hen koi Interesse, der Elser kommt aus (uns) viel z frieh.“ (damals war es ja auch erst 68 Jahre her)
Über Nacht schneite dann Felix Huby aus Berlin vom Himmel, empfohlen als deutscher Fernseh-Krimiautor. Flugs schob der Intendant und spätere Elser Bernhard Hurm dem nachforschungsunwilligen Huby mein ganzes Material hinüber, mit dem eigentlich ich das Stück machen wollte.
Gutsherrenart, die im Schwabenland noch nicht so recht populär ist. Wir werden uns schon noch daran gewöhnen.
Heute eine übliche Überrumpelung und Beraubung. Die Melchinger sind bei den Gebräuchen der Hochkultur angekommen, sie werden’s noch weit bringen.
Nun verhört man hier oben auf der Schwäbischen Alb den Elser unter einem Eimer. Ganz im Widerspruch zu seinem Charakter lässt der Melchinger Elser es nicht auf sich setzen, dass er in der Schweiz mit Asyl rechnete - und scheiterte.
Der wirkliche Elser hätte sich auf einen so sinnlosen Protest nie eingelassen, wenigstens nicht so wortreich. Aber in Melchingen ist der Elser-Hurm ständig am Reden und kriegt das Maul schier nicht zu.
Das „Volksstück“ beginnt, Partien aus meiner Elser-Biografie zu verwursten. Aber so platt auf die Bühne gezerrt, wird es kein Theater geben.
Der Schreiner und Freiheitskämpfer kommt nach der Verhaftung an der Grenze in Konstanz in die Mühle der Verhöre. Hier wäre Gelegenheit gewesen, von Motivation, Hoffnung und Sprengarbeit zu erzählen.
Die Chance wird verspielt. Schon früh hängt Elsers Charakter im luftigen Nichts. Das Stück kommt dem gefährlichsten Gegner Hitlers nie nahe. Ob das Zufall ist? Oder Unwille?
Der Fehlpass geht weiter, man tunkt ihm den Kopf ins bittere Ende ein:
Er bereue die Tat, würde sie nie mehr machen, habe sich geirrt, der Zweck sei nicht erreicht, seine Ansicht sei falsch gewesen.
Elser bekommt von Autor und Regisseur eine aufs Haupt, die Klugscheißer von Gestapo, SS und Kripo wissen’s besser. Von diesem Niederbügeln wird sich Elser das ganze Stück über nicht erholen.
Diese Schlusspassage im Kripo-Protokoll wurde Elser nach langen Folterungen abgerungen, er hat sie in der KZ-Haft nie wiederholt, seine SS-Wachen trugen es ihm nach. Bis zum Schluss bereute er nichts.
Weil Autor wie Regissör dem perfiden Anschlag auf Elsers Integrität offenbar nicht so recht trauen, wiederholen sie das Märlein von der Reue am Ende.
Doppelt g’näht, hält besser.
Die Weichen werden also gleich zum Beginn gestellt: ELSER HERUNTERSETZEN. Daraus spinnt sich der geheime rote Faden des ansonst zerfasernden Stückes.
Der Duktus dieser angeblichen Reue, ins Protokollt gedrückt am Schluss des fünftägigen Kripoverhörs November 1939 in Berlin, atmet überhaupt nicht Elsers Sprechweise.
Kein einziger Suebismus ist darin zu finden. Elser sprach raues Landschwäbisch von der Ostalb, er war bei einer schriftsprachlichen Erzählweise völlig überfordert.
In meiner Biografie hätte man lesen können, dass Gestapo wie Kripo Übersetzer brauchten, um Elsers kurze, oft unvollständige Sätze voller schwäbischer Lautmalereien und Löcher einigermaßen zu übertragen.
Davon ist weder in dieser zentralen Passage des „Volksstücks“ noch sonst wo etwas zu spüren.
Vor der Trübsal rettet uns wenigstens ein Ziehharmonika-spieler. Einen Kriminal- oder auch Elser-Tango legt er auf - nur tanzt niemand Tango.
Dann purzeln, zumeist in undurchschaubarer Absicht, die Zeitebenen durcheinander. Man spürt, Hubys Drehbuch-schreiber Dieter de Lazzer kommt vom Film, genauer vom Fernsehen. Als Schreiber für die KRIMIMANUFAKTUR HUBY rutscht ihm unkontrollierbar das Filmmileu auf die Bühne.
Der Regissör, so war schon vorher warnend im Schwäbischen Tagblatt zu lesen, habe den filmischen Charakter des Manuskriptes zurückgedrängt. Wie man sieht, leider nicht energisch genug.
Das beliebige Durcheinanderschieben aller Zeit- und Handlungsebenen ist so stark geblieben, dass ein klarer Handlungsstrang sich nicht mehr herausstellen mag.
Die Stammtische bevölkert, wie zu befürchten war, lauter Nazivolk. Zur schwäbischen Kultur unpassend, wird daraus griechisch-antik ein Chor, der handelt und tanzt und rezitiert.
Und so hören wir gleich zu Beginn in einem deppeten Chor die Essenz des Stückes:
„Deutschland ist selbst in seinen Verbrechern noch bedeutend.“
Wir sind bei der ZWEITEN HERABSETZUNG Elsers und bei seiner verzweifelten Angleichung an Hitler. So bekommt auch der Massenverbrecher Hitler etwas von ELSERS WÜRDE ab.
Wer Elser heruntermacht und in seiner Einmaligkeit nicht zu verstehen mag, sinkt wohl unvermeidlich auf Hitler herab.
Schon haben wir das innere Bauprinzip des Stücks vor Augen: Elser und Hitler sind sich einfach gleich, aus demselben Holz geschnitzt, sie passen aufs beste zueinander, wie Zwillinge.
Die Deutschen mögen ihre Freiheitshelden nicht, die sind ihnen zu tatkräftig – und für die Einordnung in Hierarchien untauglich. Haben also nicht das Zeug, im heutigen Deutschland sich zu etablieren.
Duckmäuser schmecken besser.
Nach dem Verhör kracht die zweite Filmebene Königsbronn, das übrigens keiner vorgestellt bekommt, auf den Stammtisch nieder.
Eigentlich nicht schlecht:
Der Elser sei a guatr Kerle gwäa,
mr hätt-n weiter auf-d Schul schicka solla,
aber dr Vater hot’s Geld versoffa.
BERTHOLD BIESINGER gefiel mir hier und sonst als bester Schauspieler.
Berthold, bisch schau a baiser Siach.
Die Zuschauer werden mit einem Lieblingsmythos der Deutschen beruhigt:
„Ich hab immer an den Führer geglaubt.“
So lässt sich das Stück auch in Oberschwaben verkaufen. Noch bevor das Stück entstand, ließ mich die Theaterleitung wissen, das Wichtigste am Stück sei, dass der Huby auf dem Theaterzettel stehe, denn mit Hubys Namen werde der Saal voll.
Wir bekommen einen wilden Sprung zu den unbelehrbaren Nazis kurz vor Kriegsende serviert. Eine vertrackte Frage quält sich unmotiviert über die Bühne. Fragt sich einer, warum am Anfang eigentlich so wenige Leute Angst vor der Gewalt gehabt hätten, wo jetzt so viele Angst vor der Gewalt hätten?
Hier wäre eine zweite Chance gewesen, Elsers geistig-politische Stärke gegen Nazi und Kriegstreiber zu entwickeln.
Wieder verschlafen.
Die Schauspieler werden zu Marionetten. Einer schleppt eine rote Fahne mit sich herum - nicht übel - in deren Mitte klafft ein Loch. Offenbar wurde, wie am Kriegsende üblich, das Hakenkreuz herausgeschnitten, schon herrscht das Rot allein.
Aber wenn man diesen Trick in alle Jahre zwischen 1933 und 45 zurückträgt, erntet man nur Verwirrung. Und es blüht auf die liebste Legende der deutschen RECHTEN MITTE:
Rechts gleich links,
Nazis gleich Sozialisten.
Die Zeiten hüpfen weiterhin hin und her. Ohne Kenntnisse von Elsers Leben blickt man keinen Augenblick durch. Alles wird sich gleich. Wie Elser ohne weiteres zu Hitler passt, so gehören alle Zeitebenen gleichwertig zueinander. Entwicklung ist nicht mehr möglich, überhaupt nicht gewollt.
Elser hat fertig da zu sein, und wenn das nicht glaubhaft geht, soll seine Individualität halt zum Teufel gehen.
Vielleicht rächt sich hier auch, dass der Regissör gewaltig gestrichen hat, offenbar rund ein Drittel des Manuskriptes. So bleiben uns nur 80 Minuten. Gezahlten haben wir für mindestens 120 Minuten im Thespiskarren.
Inhaltlich und als abendfüllendes Theaterprogramm dürftig.
Wir besichtigen die Fragmente eines Theaterstücks, drapiert in handgestricktem Surrealismus, zusammengeflickt aus dem Nichtverständnis der Antagonisten: Weder Elser noch Hitler kommen zur Entfaltung.
Der nächste Zeitsprung führt uns ins Jahr 38, unausgesprochen, man muss alles bereits wissen: Konferenz von München, Zerstörung der Tschechoslowakei durch die Lostrennung der sudetendeutschen Gebiete.
Ab jetzt war sich Elser todsicher, dass Hitler den Weltkrieg will. Eine Ahnung hatte er schon ab 1936, seitdem suchte er Sprengmaterial. Das wird leider nicht ausgeführt.
Es hätte eine tolle Geschichte werden können, wie der Schlaumeier sich im angeblich perfekt kontrollierten Gestapo-Staat alles Material zum Attentat besorgen kann.
Danach der jähe Sprung in Elsers Haft. Ein beschämender Unfug, dass Elser mitten in der Misshandlung einem SS-Oberscharführer zugesagt haben soll, dessen Kommode bald fertig zu machen.
Solange Elser gefoltert wurde, machte er niemandem ein Möbelstück. Er war Kunstschreiner und hatte einen freien Stolz.
Eine WEITERE HERUNTERSETZUNG.
Nun ein Sprung zurück: Elser entscheidet sich, Hitler in die Luft zu jagen. Ein Motiv erfährt man nicht, scheint ja auch nicht zu interessieren.
Und nächster Sprung zurück, in die Werkstatt, wo Elser einen Vorschuss will. Auch so eine Szene ohne Funktion. Anspielung auf eine Verpflichtung zu Alimentezahlungen, näheres braucht der Zuschauer nicht zu wissen.
Wo alle Zeiten durcheinander hüpfen, geht auch die Zukunft verloren. Elser kann kein Wort über seine Zukunftsvorstellung loswerden. Nie hört man von seiner Sehnsucht nach Frieden: einfach nach Ruhe.
Bevor man nachdenken kann, zieht der Tango weiter über die Bühne: ein Lückenfüller. Lockerungsübung vor dem nächsten logischen Gewaltakt.
Elser lebt auf der Melchinger Bühne in einer anderen Welt, freilich einer ohne wesentliche Gedanken, nur technische Details erzählt er vor sich hin, auch sie funktionslos für die Geschichte.
Wenn Elser schon nichts Substantielles sagen darf, bekommt halt Hitler das Wort und labert von der Vorsehung, der er selbst nicht traute. Vorsehung war für ihn nur das, was ihn aus dem Nonsens der erlebten Geschichte zu bestätigen schien.
Sobald die Geschichte gegen ihn verlief, verbat er sich die Bemühung der Vorsehung. Der Unfug Vorsehung gehört noch heute zu den populärsten Überresten des gesunkenen Nazi-Volksgutes. Schließlich glauben noch heute viele, Hitler sei nur deshalb nicht einem der angeblich 46 Attentatsversuchen erlegen, weil die Vorsehung es nicht anders wollte.
Selbst in seiner technischen Leistung wird Elser heruntergezerrt. Nicht er selbst entwickelt den Attentatsplan, er bekommt ihn im Steinbruch vom Sprengmeister diktiert – und schreibt ihn einfach auf die Rückseite seiner Sitzbank.
So stellt sich Klein-Erna einen Widerstandskämpfer vor: unselbstständig, fremdbestimmt, geistig bescheiden, unoriginell. Tja, da sind die Kerle vom Stammtisch doch von anderem Kaliber.
Beinahe wäre Elser noch verstanden worden, er will eine Erfindung machen. Aber dann hören wir von der Elite der Nation raunen. Damit hatte Elser nichts am Hut.
Er folgte seinem innersten Trieb, etwas Bedeutendes für sein Volk leisten zu müssen. Er war als hilfsbereit und selbstlos bekannt, diese Charaktereigenschaft kulminierte im todesmutigen Angriff auf den Weltkriegstreiber.
Der Melchinger Elser redet zu viel. Er lässt sich in der Kneipe unter fanatischen Nazis in Diskussionen über Hitler und Krieg ein. Hätte er so etwas wirklich getan, er wäre gleich geschnappt worden.
Elser war kein politischer Redner, kein Agitator. Selbst mit seinem Schweizer Chef in Bottighofen diskutierterte er nie, obwohl 1929 noch keine Gefahr war. Es war halt seine Sache nicht.
Am Ende macht sich der Chor endgültig lächerlich, die Dornröschen-Zeitlupe mit dem Erwachen aus dem Todesschlaf wirkt bei den häufigen Wiederholungen dümmlich. Jede Masche verbraucht sich, Abwechslung wäre besser gewesen.
Ein wenig getröstet wird man durch das schwäbische Lied von der Brenz, noch mehr durch das Trauerlied der alten Demokraten
„Morgenrot Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod.“
Wir finden es schon im besten politischen Roman der Revolution von 1848, in F. A. Karchers „Freischärlerin“ (1851).
Leider werden die Motive dieses Liedes nirgends mit dem Stück verwoben. Ein Theater zeichnet sich als durchkomponiert aus, wenn die Motive zu einem Teppich verbunden werden.
Gegen Ende böte sich eine Chance, Hitler als aufgepumptes Nichts vorzuführen. Es öffnet sich das dunkle Doppeltor, Hitler kommt fiktiv in den Bürgerbräukeller herein, in dem es nach der Zerstörung der Zeiten schon mehrmals gekracht hat. Anstatt Hitler zu entlarven, darf er wieder von der Vorsehung sabbern.
Gähn gähn, kennen wir doch schon.
Durch dieses dunkle Tor wäre Elser zur Hinrichtung hinauszuführen. Es schmerzt, dass er sitzen bleibt, irgend jemand bedient eine Käpselespistole, ein Kinderspielzeug.
Nicht mal einen richtigen Schreckschuss bekommt diese Inszenierung hin. Das ist Theater für schwer leidende Herzpatienten. Die Klinikdirektion hat Aufregung STRENGSTENS UNTERSAGT.
Am Ende sitzt Elser wieder auf seinem Klavierhocker über aufsteigendem Rauch. Ein Seher von Delphi? Aber leider hat er nichts aus seinem Innersten zu erzählen, er sieht keine Zukunft.
Eine starke Szene ergibt sich noch geschwind beim Abtreten, Elser konfrontiert sich imaginär mit Hitler, spielt die Gleichsetzung durch, aber Bernd Hurm erwischt hier seine schwächste Partie, er spielt beide Figuren gleich, dreht sich nicht um auf die Gegenposition, verändert beim Übergang von Elser zu Hitler weder Haltung noch Stimme.
In Verkennung der historischen Realität soll gegen Ende nicht Hitler Angst gehabt haben, sondern Elser, meint de Lazzer.
Tatsächlich weigerte sich Hitler schon früh mehrmals, einen heimlich aufgenommenen Verhör-Film über Elser anzusehen. Beim Verhör 1939 in Berlin den Gefangenen einmal selbst zu hören, zu erleben, getraute er sich nicht, während er die NS-Führung dazu verdonnerte, Elsers Darstellung seiner Motivation anzuhören.
„Tapfer“ schnappte sich Hitler als Ersatz Elsers Freundin Elsa, quälte sie in der Reichskanzlei acht Stunden lang, in einem strapaziösen Verhör, ohne ihr je etwas zu essen zu geben, unter dauernder Verdrehung jedes Wortes.
Elsa kippte nicht um, auch als Hitler tobte. Am Schluss musste er erkennen, so viel Widerstand hatte er bei keinem seiner Generäle je erlebt.
Der Melchinger Elser hat keine Partnerin, Elsa taucht nicht auf. Ein armseliges Männerstück.
Das Ende des zerbröselten Stückes ohne Volk trifft uns viel zu früh, schon um 21.20 Uhr. Wir haben eine Ruine durchwandert, ohne geistige Erfrischung.
Sechs Vorhänge, die Schauspieler wenigstens haben den Beifall verdient.
Abschließend eine Bemerkung zur Autorschaft. Nachdem der Melchinger Intendant mein Material wie meine Ideen dem Felix Huby rübergeschoben hatte, erfuhr ich, Dieter de Lazzer habe das Stück in wenigen Wochen geschrieben. Ich fragte nach Hubys Autorschaft. Lachen am anderen Ende der Leitung: Das schreibe der sowieso nicht, das mache der Dieter.
Das Theater bekam ein schlechtes Gewissen und stellte beim Programmzettel Felix Huby dem Dieter de Lazzer hinterher, nun als Coautor. Gepflogenheiten der Filmindustrie ziehen auch in Melchingen ein: In der Flasche ist nicht drin, was das Etikett verspricht.
Hellmut G. Haasis
März 2008