Hellmut G. Haasis: Bombing Hitler. The Story of the Man Who Almost Assassinated the Führer. Translated by William Odom. Skyhorse Publishing, New York 2013, 226 S., viele Fotos.
von Wladimir Krutthofer (Moskau)
Ein Lichtblick, als ich soeben diese englische Übersetzung der Elser-Biografie von 1999 auspackte. Die Amerikaner haben sich 14 Jahre (!) Zeit gelassen, den wichtigsten deutschen Widerstandskämpfer und Friedensanhänger zu übersetzen.
Aber Steine auf andere zu werfen, haben gerade wir Russen kein Recht. Denn bei uns sieht es nicht anders aus, auch keines der weiteren grundlegenden biografischen Werke von Haasis (Tod in Prag, Heydrich, 2002; Joseph Süß Oppenheimer, 1998) wurde bisher ins Russische übertragen. Warum? Verdient man daran zu wenig? Warum sollte Putin was dagegen haben?
Da waren bisher Asiaten heller und schneller. Das Heydrich-Buch mit dem gelungenen Attentat von Prag 1942 kam schon in Peking heraus, die Süß-Biografie in Tokyo. Beachtlich.
Wo auch immer man den amerikanischen Übersetzer William Odom prüft, fällt seine Übersetzung durch Überlegtheit und kreative Entsprechung auf. Odom hatte 1961 in Berlin an der Universität Deutsch zu studieren begonnen. - Dieses Jahr weckt in uns unangenehme Erinnerungen: Die Ostdeutschen bauten mit unserer Duldung, wenn nicht gar Unterstützung die verhängnisvolle Mauer auf, die Europas zerriss.
Wie von Odom zu erfahren ist, bemühte er sich seit Jahren, für seine im Entstehen befindliche Übersetzung einen amerikanischen oder englischen Verlag zu finden. Viele Versuche schlugen ihm fehl. Vor allem dem Übersetzer Odom ist es jetzt zu verdanken, dass der New Yorker Verlag Skyhorse endlich zugriff.
Ein Verlag mitten in Manhattan, erst 2006 gegründet, ein unabhängiger Versuch. Mit dem Verlagsprofil, auch nichtfiktionale Erzählungen herauszubringen. Dazu eignete sich hervorragend diese präzise und spannende Erzählung von Haasis über Elsers Leben, Tat und tragisches Ende.
Der Umschlagtitel endet mit einem klugen Abschnitt:
„Bombing Hitler is an incredible tale that takes you back to 1939 and recreates the steps that led Elser from the Munich beer hall, to his attempted escape across the Swiss border, and, sadly, to the concentration camp where his heroic life ended. Read for the first time the epic and tragic story of a man who stood up for what he knew was right, opposed the most powerful man in Germany, and came close to single-handedly ending the war.”
Respekt! Der Verlag wagt es, Georg Elser, den Beinahe-Verhinderer des Zweiten Weltkriegs, ohne Wenn und Aber als einen hoffnungsvollen Einzeltäter herauszustellen.
Sein heroic life – das wird man in Moskau noch lange nicht sagen dürfen. Als heroisch gelten bei uns die Soldaten Stalins, die zu Millionen starben. Und für wen?
Sehr erfreulich, dass Übersetzer und Verlag keine Konzessionen gemacht haben an den Unterhaltungs- und Kitschbedarf mancher Leser. Ich finde es erfreulich, dass ein New Yorker Verlag jede genannte Person dieser dramatischen Geschichte und jede aufgeführte Stadt und Straße, kurz jedes historische Detail wortgetreu übernommen hat.
Da täten sich die russischen Leser sehr schwer. Diese Genauigkeit von Odom mag darin gründen, dass unsere einst so weit entfernten Länder einander näher gerückt sind. Nicht nur die KZ-Lager sind uns heute näher, sondern auch die Stadt Konstanz am Bodensee, wo Elser in die Schweiz flüchten wollte – und leider scheiterte. In meinen jüngeren Jahren hätte ich weder das Original von Haasis zu sehen bekommen noch viel weniger die amerikanische Übersetzung.
Erfreulich, dass viele Fotos aus der Erstauflage übernommen wurden, selbst die Fingerabdrücke auf Elsers Münchner Gestapo-Akte.
Sehr interessant, wie viele deutsche Worte der Übersetzer im Wortlaut übernommen und kursiv gesetzt hat: Alte Kämpfer, Reichskriminaldirektor, Sieg Heil, Dolchstoßlegende, Götterdämmerung, Höllenmaschine, Blutfahne, Abwehr - aber auch Schadenfreude, Lederhose und Wochenschau.
Schade, dass das Englische keine Entsprechung für das Wort Attentat kennt. Odom musste sich mit assassination behelfen, was nur Tötung, Ermordung bedeutet, aber nicht einen berechtigten Angriff auf eine verhasste Herrscherperson meint.
Der Übersetzer spürte gelegentlich, dass die KNOCHENTROCKENE Schreibweise des Autors Haasis etwas breiter ausgeführt werden müsse. Als der erfolglose englische Spion Payne Best 1945 anders als Elser die Haft im KZ Dachau lebendig überstanden hatte, verunglimpfte er den toten Hitlergegner Elser zuerst einmal als angeblichen SS-Mann (eine bequeme Lüge damals!).
Und Jahre später verklärte derselbe Best den auf Hitlers Befehl ERMORDETEN Elser als seinen “armen kleinen Freund“, der ihm oft Briefe über den Gefängnisflur herübergeschickt haben soll. (eine weitere dumme spätere Erfindung!)
Da urteilt der Autor Haasis trocken und knapp: „Der tote Elser war doch der beste.“ (deutsches Orginal S. 243)
Der Übersetzer Odom: „It would seem that a dead Elser was the ‘best’ Elser.” (englisch S. 207)
An anderer Stelle übersetzt Odom die Kennzeichnung von Hitlers Redestil “Unkonkretheit bis zum Gefasel” (Haasis deutsch S. 12) geschickt als “empty rhetoric“ (englisch S. 12), „aufgeblasen“ als „overblown and pompous“ (s. 5).
Die Tatsache, dass Elser im KZ von der SS geduzt wurde (deutsch S. 28) gibt Odom ausführlicher wieder, weil man es in den Vereinigten Staaten kaum versteht. Im selbstverständlichen DU-Sprachgebrauch der SS wollte der theologische Hitler-Gegner Pfarrer Martin Niemöller einen Beweis sehen, dass Elser ein Kumpan der SS gewesen sei, von den hohen Nazis für das Attentat gekauft. Odom setzt in Klammern den Sachverhalt hinzu (englisch S. 19-20).
Odom und der New Yorker Verlag krönen ihre Verehrung für den bisher unbekannten Hitler-Attentäter Georg Elser mit einer Widmung:
„This translation is dedicated to the indomitable spirit of Georg Elser“ (S. V).
indomitable spirit: unbezwingbarer Geist.
Das hat in Deutschland und sonst wo noch niemand zu sagen gewagt. Der amerikanische Verlag Skyhorse ist uns weit voraus. Skyhorse: Himmelspferd. Was für ein poetisches Wort.
Wladimir Krutthofer, Moskau