haasis:wortgeburten

Elser Nr. 43
"Elser - Er hätte die Welt verändert"
Film von Fred/Charlotte Breinersdorfer
und Oliver Hirschbiegel.
Notiz vom Elser-Biografen Hellmut G. Haasis



elser mit der bahn von königsbron nach münchen
(collage von uli trostowitsch 2012, historisches
bahnhofs-foto von hellmut g. haasis, 1998)


15. Februar 2015
Mail von U. R. In K., Elser-Biograf.
Lieber Hellmut,
Was ich schon länger mal fragen wollte: Haben sich die Macher des neuen
Elser-Spielfilms irgendwie auch mit Dir beraten?
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an U. R., Elser-Biograf in K.
15. Februar 2015

zum ELSER film von oliver hirschbiegel und meinem Schriftstellerkollegen fred breinersdorfer.
Freds rolle war von anfang an ein slalom herum um den biografen der ersten stunde. Immerhin läuft mein werk seit der 1. aufl. 1999 munter weiter.

nie hat er auch nur EINE SEKUNDE MIT MIR gesprochen. nie bloß den kontakt versucht.

im vorfeld haben sie großartig abgeblockt, die leute vom film: vom produzenten über den regisseur bis zum autoren-duo, vater und tochter breinersdorfer.

br. hat seine abzocker-linie seit dem thema heydrich-attentat Prag 1942 beibehalten. Das war seit 1998 "tod in prag".

Von einem kollegen forschungen abstauben, aber nachher einen weder als quelle nennen noch gar sonst eine minimale anerkennung riskieren.

im vorfeld hat breinersdorfer vorsichtigerweise verlauten lassen, er habe prof. steinbach als wissenschaftlichen berater gewonnen. Wohl als schutzheiligen?

steinbach hat aber, was quellen angeht, sich tüchtig bei anderen bedient, wie das
üblich ist. Er hat bekanntlich außer dem gestapoprotokoll (das bequem zugänglich war, weil schon lange gedruckt) kaum quellen selber erforscht. Das ist die folge von schreibtisch-forschung, wo der "forscher" keinen schritt an die alten "tatorte" oder in schwer zu entschlüsselnde archive riskiert. Ich könnte da ein dutzend orte nennen, wo steinbach nie war, bei seiner materialbeschaffung grundsätzlich nicht hingeht.

dann haben breinersdorfer und tochter, wie ich aus heidenheimem weiß, dort liebhaber von lokalgeschichte besucht, mit ihnen gesprochen, aber nichts über elsers charakter, seine tat usw. erfahren, was nicht schon in meinen verschiedenen büchern stünde.

das alles haben sie im blätterwald bei journalisten großartig "recherchen" genannt.

den französischen produzenten boris ausserer habe ich bei der münchner gedenkfeier nov. 2014 gefragt, welche grundlagen sie denn hätten.

er stand vor mich hin mit einem schlecht zu überbietenden hochmut, hände im hosensack, ton weit von oben herab, die plattitüde nur so hingeknallt, die vom ton her keine nachfrage
duldete:

"Wir haben recherchiert."

frage ich trotzdem genauer: bei wem? welche quellen gefunden? woher wisst ihr was über elsers charakter, seine innere entwicklung, sein umfeld, seine kultur, seine hoffnungen, seine entscheidungs-findung usw.?

KEINE ANTWORT.

Léonie-Claire breinersdorfer, die tochter, las mit ausserer an diesem abend drei szenen aus dem drehbuch. sehr dürftig. nicht im geringsten aussagekräftig für elsers charakter, motivation usw.

die ersten presseberichte, nach der berliner premiere soeben anfang februar 15, zeigen auffallend ähnlichkeiten, die journalisten scheinen mir gründlich präpariert zu sein.

Kein wunder. Die branche arbeitet beim werbefeldzug durch die medien mit einer
reihe eingeweihter kollegInnen.

Manchmal kann man sogar auf personengleichheit schließen, nur unter verschiedenen namen. Zu auffallend, dass zwei dieselben szenen als einziges beispiel heranziehen.

Also fake statt selbstständiger, ungekaufter besprechung?

der produzent versteht sich offenbar gut auf die LENKUNG DER PRESSE. das machen alle.

Boris ausserer versuchte, die neuesten angriffe von rechtsradikalen geschichtsrevisionisten abzuschwächen, elser sei achtfacher mörder, er habe im bürgerbräukeller 8 leute ermordet!

Was ist das für eine linie? abschwächen durch integrieren des absoluten gegners?

(du weißt, PETER KOBLANK, aalen, betreibt diese linie schon jahrelang zusammen mit lothar fritze, ausgerechnet im elser-ak heidenheim!!!)

er selbst wolle dazu nicht stellung nehmen, ließ ausserer schreiben. er habe keine klare meinung dazu. man müsse alle verschiedenen positionen dazu akzeptieren.
Muss man?

Ja hat Ausserer überhaupt eine meinung? Wohl am ehesten die aller produzenten:
Kommt viel geld herein? Wie kriegt man alle strömungen unter einen hut?

nun zu dir: bist wenigstens du gefragt worden von den filmleuten, im vorfeld?

dass breinersdorfer mich nicht fragt, hat einen grund, nur sagt er halt nix dazu.

er kennt  meine unabhängigkeit gegenüber autoritäten, meine skepsis zum akademischen milieu. meine vorliebe für kleinere leute unten,  keine anpassung an karriere, ehre, lob, und viel viel geld.

breinersdorfer will hauptsächlich große preise gewinnen und geld anhäufen. Da passt freilich elser als thema absolut nicht zu ihm.

sehr eigenartig, wie schnell der film, ohne richtig angelaufen zu sein, einen bayerischen filmpreis bekommen hat.

das riecht arg nach KUMPELN: alte SEILSCHAFT. Der film produziert vom münchner
milieu, unter dieser käseglocke gehalten und gefördert.

die ersten stimmen nach der berliner premiere sind wenig brauchbar, ein par zeilen.

ich wollte in die preview rein, um den kollegen journalisten von der schlamperei bei der quellensuche zu erzählen.

ich bekam keinen zugang. zudem sind die filmkritiker häufig oberflächliche leute. Haben auch viel zu viel anzuschauen. keine zeit für gründliche arbeit. von quellenkritik wollen wir gar nicht reden.

und die freien sind so schlecht bezahlt, dass sie gerne einen bericht abgewandelt unter anderem namen mehrfach veröffentlichen.

Keine chance für QUALITÄTSJOURNALISMUS.

ICH HOFF ES GEHT DIR GUT.
BLEIB XOND DAMIT WIR UNS MAL IN K. TREFFEN.

cordiali saluti
hellmut g. haasis
autor-geschichtsausgräber-märchenclown druiknui-erzähler
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(Antwort 16. Februar 2015)

Lieber Hellmut,
wenn jemand einen Film über Georg Elser macht und den wichtigsten Elser-Biografen nicht konsultiert, ist mir das völlig unverständlich. Bei einem der ersten Besuche der Filmleute in Königsbronn war ich dabei. Danach hatte ich kaum noch Kontakt, doch hatte ich immer mehr den Eindruck, dass die Filmleute in der Gewissheit leben, sie wüssten
ohnehin alles über Elser. Was Du da erlebt hast, spricht ja sehr für diesen Eindruck. Was den Film-Elser betrifft: Ich sehe ihm mit Skepsis entgegen.

In welcher Welt Fimleute leben, hat DIETER HILDEBRAND kurz vor seinem Tod anschaulich geschildert. Er berichete, dass er angeboten habe, in einem Film über sich die Hauptrolle zu spielen. Das sei abgelehnt worden - mit der Begründung: SIE SIND NICHT DER TYP.

Ich wünsch älles Guade und dass wir uns hoffentlich bald wieder über den Weg laufen.
Herzlichst U.

Lieber U.
von fairer kooperation oder ähnlichem oder beratung kann in königsbronn mit euch nicht
die rede sein. b. will halt die leute aushorchen.
dann ist auch klar, warum er mich immer WEITRÄUMIG umgangen hat.

zu allen fragen hätte ich ihm was sagen können, aber nicht honorarfrei. Die leute verdienen alle was, nur der ideengebende autor soll's ohne lohn machen.

das ist typisch für die film-branche. Bei der arbeitsweise stehe ich noch immer auf dem uralten niveau mittelalterlicher texteleser und späterer historisch-kritischer textforscher.

Ich hoffe nicht, dass dieser schwerpunkt mit uns untergehen wird.
gefragt ist heute DER SCHNELLSCHLUSS MIT VIEL SENSATIONEN.

wir bleiben besser bei unserer linie.

hast du übrigens in meinem größten Personen-lexikon-artikel (eingeben:
haasis anarchopedia) die hinteren kapitel gelesen? Über haasis.

unendlich viel zur elser-rezeption, wie ich sie monatelang zusammengetragen hab.

da ist doch einiges rumgerührt worden, gelegentlich auch auf meinem rücken,
aber insgesamt fair.

meine neueste auseinandersetzung mit dem geschichtsrevisionisten LOTHAR FRITZE
von chemnitz wirst du kennen?
Zu lesen in: haasis anarchopedia.

Grüße hellmut
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(nachtrag u. r.)
ich fürchte, meine Antwort wird recht unergiebig ausfallen. Ich kann mich an das Treffen mit den Filmleuten nur noch lückenhaft erinnern, habe mir danach aber eine kurze Notiz gemacht.

Es war im Oktober 2010. Die Filmleute hatten sich wohl bei Joachim Ziller angesagt. Dabei waren Breinersdorfer mit Tochter, der damals noch als Regisseur vorgesehene
Thorsten Fischer und Herr Ausserer, der sich sehr zurückhielt. Auf unserer Seite war noch Frau Lindner dabei, die rechte Hand von Ziller.

Es war keine richtige Konferenz, nur ein lockeres Gespräch, die Filmleute wollten wohl einfach mal Königsbronn schnuppern. Breinersdorfer ging es unter anderem darum, was Elser zur Tat bewogen hat - und wie sich das filmisch darstellen lässt (da konnte ich ohnehin nicht mitreden).

Gesprochen wurde über mögliche Gewalterfahrungen Elsers, seine möglichen Erinnerungen an den Krieg und ob es auch einen pietistischen Einfluss gegeben habe. Manchmal wurde auch ein Detail gestreift, zum Beispiel: Wenn er zum Tanzen aufgespielt hat, was wurde damals so getanzt? Dann machten wir alle einen kleinen Rundgang, sozusagen Motivsuche, und endeten in der Gedenkstätte.

Danach hatte ich per Email noch gelegentlich, sehr angenehmen, Kontakt
mit Leonie-Claire Breinersdorfer. Ich wollte jeweils den Stand des
Filmprojekts wissen, weil ich das in einem Artikel und einem Vortrag
erwähnen wollte. Auch machte ich sie auf ein Buch des Schweizer
Historikers Urner aufmerksam, in dem ein Kapitel über Elser vorkommt,
wofür sie sich bedankt hat. Dann hatten wir keinen Kontakt mehr, fortan
hielt mich Ziller auf dem Laufenden.

Für Stuttgart habe ich noch keine Einladung, kommt wohl noch.

Herzlichst U.



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