haasis:wortgeburten

HAMBACHER FEST 5

Karl Wilhelm Friedrich Schaber: Rede im Club zu Berzabern,
gehalten von Carl Wilhelm Friedrich Schaber, Professor.
O.O. u. J. (Weißenburg/Elsass, Frankreich, 1793, Reprint
nach dem einzigen erhaltenen Exemplar, hrsg. von
Hellmut G. Haasis in der Exilbibliothek „Blauwolkengasse“ Nr. 4.


Hambacher Freiheit 2012
„Aufstand und Rebellion in der Pfalz –
eine politische Radreise in ein
verborgenes Kapitel deutscher
Demokratiegeschichte“
Pfalzreise 2012 vom 22.9. bis 29.9.
Geleitet von Thomas Handrich,
Politikwissenschaftler, Geograph
und begeisterter Radler

Beobachtungen von Hellmut G. Haasis,
Teilnehmer der Radfahrt,
zuletzt auf dem berühmten Hambacher Schloss.
(Ende September 2012)
_____________________________________
Als Höhepunkte empfand ich unsere Fahrten nach Bergzabern, Landau und Wissembourg, mit den Archivaren Rolf Übel, Michael Martin und Bernard Weigel.

Anders das Hambacher Schloss, einst als Wiege
der Demokratie gefeiert.

Gleich am Eingang oben werden wir drauf gestoßen,
wer hier das Sagen hat,
wer die Deutungshoheit übernommen,
die Wiege okkupiert hat.

Der Berg steht inzwischen unter der
hinterhältig veränderten Parole:
FREIHEIT UND EINHEIT,
nicht mehr, wie einst gut französisch:
liberté égalité,
FREIHEIT GLEICHHEIT.

Wer hat uns die égalité geklaut?

Das trübe Ergebnis sieht der aufmerksame und ein wenig vorbereitete Zeitgenosse samt –ossin bald an jeder Schautafel, drinnen in der historischen Ausstellung.

Um nicht zu ermüden, nur einige Beispiele.
Als Einführung ins Zeitalter der Großen Französischen Revolution springt uns mit großen Buchstaben das Programm an:

„Es gärt in Europa.“

Ja wie, sind wir in einem Winzerkeller? Oder in einer Praxis für Magen- und Darmkrankheiten?

Was tun? Luft rauslassen? Oder Korken drauf?

Das „Gären“ assoziiert mit Absicht einen unerwünschten, bedenklichen Vorgang,
den man zur Not unterdrücken oder
kanalisieren muss.

Die Ausstellungsmacher lenken uns von den Tatsachen ab, dass die Menschen damals schon lange betrogen, gequält, ausgebeutet wurden.

Und die rebellierten 1789 unüberhörbar. Und trugen mitreißend ihre Beschwerden und Wünsche vor. Auch
auf deutschem Gebiet, was noch immer recht
bekannt ist.

Die Hambacher Ausstellung stammt aus dem Jahr 1982. Man merkt es. Chef war damals HELMUT KOHL, selber Historiker.

Ob er tatsächlich ordnungsgemäß promoviert wurde, ist nie bewiesen worden, seine Doktorarbeit hat sich nach Gottes UNERFORSCHLICHEM Ratschluss nie mehr finden lassen. Was für ein Wunder! Wenn man da nicht stracks Christ wird ………………. Es spricht viel dafür,
dass er auch die Dissertation nicht ordentlich machte.
- Kein Wunder!!!

Seit 1970, als ein anderer Mainzer Doktorand (Franz Dumont: Die Mainzer Republik von 1792/93, 1993) sich an das bei der CDU bisher gehasste Thema machte, geisterte durch die Partei das dumpfe Theorem der „Gärung“.

Dieser Franz Dumont stülpte jeder Protestbewegung, jedem revolutionären Aufbegehren, jeder oppositionellen Aktion das Wort „Gärung“ drüber.

Gefunden hatte er das Wort in demokratiefeindlichen Akten und Berichten, es war damals ein Lieblingswort der Gegner jeder Demokratie, danach vom konservativsten Flügel der CDU usurpiert, gerne.

Seitdem gärt es in der Hambacher Ausstellung vor sich hin. Geschlagene 30 Jahre – und offenbar kaum
widersprochen.

Aus demselben grenzwertigen Lager stammen weitere Gesichtspunkte, das ließe sich von Schautafel zu Schautafel nachvollziehen.

Zum rechtslastigen Interpretationsmuster gehört auch, dass die Schandtaten der damals Herrschenden klein geredet, besser gleich unterschlagen werden.

Nach dem Hambacher Fest von 1832 – ei ei, was geschah denn da? Verhaftung der Redner, wie wenn sie Kriminelle wären. Danach aber Freispruch vor dem pfälzischen Gericht in Landau.

Und warum? Der konsequentere, aufmüpfige Demokrat würde es heute mit Freude lesen:
Das Gericht war mit einheimischen, geschworenen Gegnern der bayerischen Reaktion besetzt. Die Pfälzer Demokraten hatten mit der bayerischen Reaktion nichts am Hut.

Das gab es? Potzblitz, und davon wissen wir meistens
nichts?

Jubel in der Pfalz. Tatsächlich, die Demokratie wurde einst begeistert gefeiert, damals stand sie aber auch noch nicht unter der „Schutzherrschaft“ der DEUTSCHEN BANK.

Angela Laich, Radierung zu K. W. F. Schaber,
Rede im Club zu Bergzabern, 1793, ed. 1993.
Handabzug der Künstlerin, 20 x 13,5 cm. Ein letztes Exemplar
der Edition ist zu haben beim Freiheitsbaum, Reutlingen.

Das bayerische Militär hatte während der Gerichtssitzung die ganze Stadt Landau und die Umgebung des Gerichtes mit 3.000 schwer Bewaffneten besetzt. Jederzeit zum Blutbad und Staatsstreich bereit. Der General der bayerischen Truppen war ein Pfälzer Adliger, den die Revolutionäre nach seinem Übergang zur Reaktion enteignet hatten. Ich gratuliere nachträglich.

Enteignet? War das nicht Ulbricht?
Nein, wirklich nicht. Die Pfälzer sind lustige Leut, die machen gern was Überraschendes, wenn’s nützt.

Und die Pfälzer Demokraten blieben der Freiheitsbewegung treu.

Die Ausstellung erzählt davon nichts. Auch nicht, dass bis 1848 und selbst noch bis 1918 das Hambacher Fest verboten oder unter militärischer Kontrolle stand.

Schöne Wiege. – Bismarck warf den Säugling aus der Wiege. Auch das sollten wir wissen.

Die Hambacher Feste wurden nach 1945 domestiziert. Was und wie zu feiern war, schrieb die Regierung vor. Mit Erfolg.

Bis 1982 gab es zwei Gegenfeiern, die sogar weit größer ausfielen als die mickrige regierungsamtliche von Kohl. Auch darüber lesen wir oben nichts. Überall ein wenig das chinesische Modell, regierungskritisches zu unterschlagen.

Der Schreiber dieser unschuldigen Zeilen war 1982 am selben Tag wie Kohl oben auf dem Beerg – und wurde wegen seines Buches (Hellmut G. Haasis: Volksfest, sozialer Protest und Verschwörung, 1981) zum Anlass für eine Katastrophenmaßnahme.

Am 27. Mai 1982 begleitete uns die Heilige Bullizei mit Hubschrauber und MEK Kaiserslautern vom Bahnhof Neustadt/Weinstraße nach Hambach. Wir standen auf einer Stufe mit der RAF und gewannen den Eindruck, die einzigen Kräfte, die von Hambach etwas gelernt haben, sind die Polizeikräfte.

Am Abend meines neuerlichen Besuches im Jahr 2012 auf dem Schloss fanden mal wieder „Hambacher Gespräche“ statt.

Es ging um die Allerweltsfrage:
„Ist der Parlamentarismus noch zu retten?“

Auf dem Podium sonnten sich etablierte Herren, mit Lehrstuhl, Institut, Partei oder einer Bank im Rücken. Alle Herren mit dem Heiligenschein von Geld und Macht. Die richtige Mischung für eine lebendige Demokratie.

Der Gipfel:
Wenn wir über die Probleme unserer Demokratie reden, wo wenige immer reicher werden - und dennoch auf Steuerermäßigung spekulieren – ja da geht es natürlich nicht ohne einen Lobbyisten der DEUTSCHEN BANK. Der saß unverfroren auf dem Podium und lenkte zum Vorteil seiner Bank. – Der Mann ist sein Geld wert.

Und diese verheerende Zusammensetzung des Podiums läuft unter der gefälschten Etikette PLURALISMUS.

Viel eher könnten wir einen griffigen Ausdruck der Studentenbewegung um 1967 erweitern:

REPRESSIVER PLURALISMUS.

So also war es in Hambach 2012.

Sollte man sich merken, denn vielleicht werden einmal die Saubermänner aller Parteien kommen und sagen, eine solche Korrumpierung unserer demokratischen Diskussions- und Geschichtskultur hätte es nie gegeben.
___________________________________________
Weitere Texte zur historisch-politischen Aufklärung:
ERLEBNISBRICHT ÜBER EINEN VERBORGENEN STRANG DER DEUTSCHEN POLIZEIGESCHICHTE
verfasst von Hellmut G. Haasis,
Autor über Freiheitsbewegungen,
Zeitzeuge für die Widerständigkeit politischer Feiern heute (Mai 2007)
WIR dienten ab Dezember 1981 den Sicherheitskräften der pfälzischen Bezirksregierung Neustadt als Hauptaufgabe. Volle sechs Monate lang.
WELCHE EHRE
Wer waren diese WIR?
Alles Freunde und -innen des Heidelberger Verlags Wunderhorn, bei dem mein Buch „Volksfest, sozialer Protest und Verschwörung“ (1981) gerade erschienen war………………………………..
http://haasis-wortgeburten.anares.org/freiheitsgeschichten/hambacher2.php
_________________________________________
HAMBACHER FEST 1982
Sicherheitsmaßnahmen gegen unangemeldete und möglicherweise extremistische Teilnehmer – bei jeder Gelegenheit anzuwenden. Empfehlung an Polizeikräfte und Innenminister (1982)
http://haasis-wortgeburten.anares.org/freiheitsgeschichten/hambacher3.php
____________________________________________

Die herrlichste Fluchtgeschichte aus der Reaktionszeit:
HAMBACHER FEST 4
Die überrumpelten Gefängniswärter.
Der Ausbruch des Kölner revolutionären Demokraten Jakob Venedey in Frankenthal November 1833.
Von Hellmut G. Haasis
http://haasis-wortgeburten.anares.org/freiheitsgeschichten/hambacher4.php
___________________________________________
Das ganze Hambacher Fest 1832:
HAMBACHER FEST 1832
REBELLION IN HAMBACH
Vortrag in Bad Dürkheim im Großen Fass am 21. Mai 2007 auf einer Kreisversammlung der GRÜNEN
Von HELLMUT G. HAASIS
http://haasis-wortgeburten.anares.org/freiheitsgeschichten/hambacher1.php
_________________________________________

 

/freiheitsgeschichten/hambacher5.php | anares.org | comenius-antiquariat.ch Samuel Hess 2005