haasis:wortgeburten

 

Reutlinger Generalanzeiger 10 Nov. 2008


Lesung - Hellmut G. Haasis präsentiert sein Buch über den Betzinger Eulenspiegel Heisel Rein. Das Original foppte Militär, Polizei und Kirche. Sein Ende war tragisch

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Humor gegen braune Schreihälse

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REUTLINGEN. »Ich bin ein Betzinger. Das ist nicht weiter schlimm, vielen anderen geht's auch nicht besser«. Heisel Reins Geschichten, die in Betzingen und Umgebung bisher nur mündlich überliefert wurden und allmählich in Vergessenheit zu geraten drohten, liegen nun, 68 Jahre nach seinem Tod, publiziert vor. Durch eine Verkettung glücklicher Zufälle landete der Nachlass von Heisel Rein (eigentlich Reinhold Häußler, 1878-1940) eines Tages vor der Haustür des Betzinger Schriftstellers und Künstlers Hellmut G. Haasis.

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In keinen anderen Händen wäre der von Zeit gezeichnete Berg dreckiger Papierstücke besser aufgehoben gewesen als in diesen: Hat Haasis doch - das attestierte ihm einst eine Zeitzeugin - eine gewisse Ähnlichkeit mit dem legendären Betzinger Spaßmacher.

In einem äußerst humoristischen Rahmen präsentierte Haasis am vergangenen Freitag in der Betzinger Zehntscheuer sein Buch »Heisel Rein - der gscheite Narr«. Für musikalische Untermalung sorgte der russische Bajan-Ziehharmonika-Spieler Andrej Mouline.

In seinen Geschichten erzählt das einstige Betzinger Original Heisel Rein, wie er in eulenspiegelhafter Manier Autoritäten foppt - ob Militär, Polizei oder Kirche, keiner ist vor ihm sicher. Seinen Mitbürgern stets willkommene Unterhaltung, sind Reins Streiche lediglich den Obrigkeiten ein Dorn im Auge.

Im Deutschland der 30er-Jahre konnte dies nicht ohne Folgen bleiben - seine Geschichten zeugen davon. Es ist beklemmend, wie sich plötzlich der geistreiche Humor mit der düsteren Realität der politischen Situation mischt. Heisel Rein will sich der Diktatur nicht beugen, rebelliert unverdrossen mit seinem Humor gegen die »braunen Schreihälse«, muss sich letztlich aber doch geschlagen geben.

Im Jahr 1940 fällt er, das war bisher noch Wenigen bekannt, der Euthanasie zum Opfer. Heisel Rein wird wie 10 000 andere in Grafeneck ermordet. Bis kurz vor seinem Tod nutzt Rein sein Talent und schildert sein Leben in der Psychiatrie. Spätestens hier wird auch deutlich, warum Heisel Rein ein kluger Narr ist. Beeindruckend, mit welch scharfsinnigem politischem Bewusstsein er die gesellschaftlichen Veränderungen im NS-Staat wahrnimmt und schildert, und wie hellsichtig er schon im Jahr 1939 das Ende des Regimes prophezeit.

Hellmut G. Haasis trennt seine Publikation in zwei Abteilungen - hier die humoristischen Schwänke, dort die Ermordung Heisel Reins -, wodurch besonders deutlich wird, dass nicht nur ein rührend-komischer Einblick in die Betzinger Lokalgeschichte der 30er-Jahre vorliegt, sondern auch ein historisches Dokument von nicht zu unterschätzendem Wert.

Die Schwänke Heisel Reins sind nun nicht mehr auf mündliche Überlieferung angewiesen und werden folgende Generationen genauso berühren und erfreuen, wie sie es zu Lebzeiten des »gscheiten Narren« taten.

Das Buch »Heisel Rein - ein gscheiter Narr«, erschienen im Freiheitsbaum-Verlag, ist im Handel erhältlich. (msi)


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