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KRUTTHOFER 2 

Französischer Geheimdienstchef
für eine deutsche Revolution

Der Kürpfälzer Architekt Leonhard Krutthofer
Hoffnungsträger von Hölderlins Generation
in zwanzig Jahren Detektivarbeit aufgedeckt

(Den vergesslichen Hölderlin-Freundinnen zurückgegeben)

von Hellmut G. Haasis Oktober 1991
[geschrieben für DIE ZEIT – blieb unveröffentlicht]

Krutthofers Unterschrift unter der Schadensliste von 1793 vom zerstörten Schloss Karlsberg.
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Seit zweihundert Jahren schwebt ein französischer Geheimagent über den elysäischen Feldern des deutschen Idealismus. Sein Schatten fiel auch auf den unglücklichen Jakobiner und Dichter Hölderlin.

Die Freunde des erlauchten deutschen Geistes konnten sich für die rätselhafte Gestalt des Leonhard Krutthofer nicht erwärmen. Sie brachten nicht viel mehr heraus als der Homburger Lotteriedirektor Blankenstein, der Denunziant des Ministerpräsidenten und Hölderlin-Freundes Isaak von Sinclair.

Man wird getrost sagen können: Sie sollten auch gar nichts herausfinden.

Durch seine Anzeige an den württembergischen Kurfürsten löste Blankenstein den Stuttgarter Hochverratsprozess von 1805 aus. Blankenstein wollte „die mörderischen Pläne einiger Schurken vereiteln“. Der Oberschurke war für ihn Sinclair - der dem Blankenstein beim Lotteriegeschäft keine freie Hand lassen wollte.

„Sinclair sprach von weit aussehenden Entwürfen, von deutscher Republik usw. (. ..) Die Mitteilung, dass er in Rastatt auf dem Kongress einen Plan zur Revolution Schwabens gemacht und solchen [einigen] Mitgliedern der württembergischen Landstände mitgeteilt habe, dass er Mitglied eines württembergischen [Revolutions-] Comité gewesen sei, und die Einladung, dass ich an einer noch bestehenden Verbindung Anteil nehmen sollte, erregte meine ganze Aufmerksamkeit.“
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Verschwörung in Stuttgart?

Sinclair und Blankenstein trafen sich in Stuttgart mit Landtagsabgeordneten. Jeden Tag rechnete man mit der Zerschlagung des Parlaments. Im „Römischen Kaiser“, dem besten Hotel der Stadt, sprachen die Vertreter der Opposition mit Sinclair.

Als einzige Stütze für eine schwäbisch-alemannische Revolution und Republik galt ein Verschwörer drüben überm Rhein: Krutthofer.

Blankenstein hörte diesen Namen zum ersten Mal - und schrieb ihn in der Denunziation gleich falsch:

„Die eigentliche Absicht seiner [Sinclairs] Reise war, sich mit Mitgliedern der Landtagsopposition zu besprechen, eine geheime Verbindung mit einem gewissen Gruthofer in Worms zu stiften und die Fahne der Empörung aufzupflanzen. Zurückgekommen nach Homburg, beobachtete ich Sinclair immer und sah, dass sehr viele Briefe von ihm nach Stuttgart unter der Adresse an Landauer und Söhne gingen und dass die Korrespondenz mit Gruthofer in Worms viel Tätigkeit erhielt.“

Die Verschwörung war noch nicht geboren, da schlug der Kurfürst schon zu. Die Opposition füllte den Hohenasperg, die schwäbische Bastille vor den Toren Ludwigsburgs. Bei der gefährlichen Besprechung im „Römischen Kaiser“ hatte neben Sinclair der Sänger eines kommenden Freistaats gesessen: Hölderlin. Doch er war schon krank, er schwieg. Das war sein Glück.
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Erste Spuren

Soweit eigentlich nichts Neues. Als erster nahm der Ostberliner Historiker Heinrich Scheel den Unbekannten im Hintergrund der revolutionären schwäbischen Demokratie ernst. Von seiner Mitarbeit in der Roten Kapelle her hatte Scheel die besten Voraussetzungen, eine leise, aber zähe Widerstandsfigur wie Krutthofer zu verstehen.

In seinem epochalen Werk „Süddeutsche Jakobiner“ (1962) trug Scheel alles zusammen, was er mit bewundernswertem Spürsinn gefunden hatte. Aus der blassen Figur, von einem zwielichtigen Denunzianten nur angedeutet, schälte sich ein längerfristig operierender deutsch-französischer Geheimagent heraus. Ein Verschwörer, der zugleich beiden diente: der französischen Armee wie der untergründigen deutschen Demokratie.

Mitten in der Zeit der Außerparlamentarischen Opposition traf mich Scheels Buch. Im schläfrigen Tübingen. Das war endlich etwas anderes, das gab der historischen Neugierde auf ein anderes Deutschland Nahrung.

Seitdem habe ich diesem rätselhaften Krutthofer nachgespürt. Eilige Zeitgenossen seien vor solcher Ausgräberei gewarnt. Man braucht dazu Misstrauen gegen bequem zugängliche Quellen und eine fast krankhafte Gier, die entlegensten Winkel durchzustöbern.

Die historische Phantasie darf vor keiner Vermutung zurückschrecken. So beantwortet dann ein Fündlein vielleicht endlich eine Frage, wirft aber gleich drei neue auf. Ein Fass ohne Boden, randvoll mit Überraschungen.

Als ich mit meiner Detektivarbeit begann, wusste man nur: Krutthofer war Baumeister im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, wohnte mal in Mainz, mal in Worms, unterhielt ein Agentennetz in Süddeutschland, zielte auf einen Umsturz ab, wollte eine deutsche Republik.

Doch die Geistergestalt hatte keinen Vornamen, weder Geburtsort noch -tag, natürlich auch keine Eltern und Geschwister, keine Ausbildung, keine Frau und Kinder, kein Wohnhaus, kein publizistisches Werk.

Was tun? Zu meinem erfolgreichsten Spaten bei den Ausgrabungen entwickelte sich ein ausufernder Briefwechsel. Im Stadtarchiv Zweibrücken der erste Erfolg. Eine alte Beamtenkartei kennt den Baumeister. In Worms fand sich erstmals der Geburtsort verzeichnet, in einer handschriftlichen Einwohnerliste: Neunkirchen auf dem rechten Rheinufer. - Eine Formulierung aus der französischen Zeit. - O weh! Es gibt mehr als ein Dutzend gleichnamiger Orte.
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Paris - Schwetzingen

Die oft unterschätzte Lokalliteratur half mir aus der Klemme. In einem abgelegenen Beitrag zum Zweibrücker Märchenschloss Karlsberg (bei Homburg/Saar) stieß ich auf die Familie Krutthofer.

Der Vater: Kurpfälzer Forstmeister von Neunkirchen im Kleinen Odenwald, südlich von Heidelberg. Später bringt er es zum Administrationsrat, siedelt nach Heidelberg über, erwirbt in der Kettengesse das schöne Haus „Zum weißen Bären“, heute Nr. 19.

Als sein neuntes und letztes Kind kommt am 7. Januar 1752 ein Leonhard auf die Welt, der spätere Baumeister auf dem Karlsberg. Das Geburtsdatum bringt mich zum Kichern, eine kleine Freude im Alltag des Forschers: auf den Tag genau 190 Jahre vor meiner eigenen Geburt.

Einer von Leonhards Brüdern macht eine diplomatische Karriere bei den Österreichern, erlebt die ganze Revolutionszeit in Paris als Gesandtschaftssekretär und haust während der Terreur ein Jahr im Gefängnis.

Zwei feindliche Brüder? Zumindest auf gegnerischen Seiten. Der Diplomat wird einer der besten Freunde des Opernkomponisten Willibald Gluck und ziert so noch heute die Musikgeschichte. Ein anderer Bruder wählt 1794 in Heidelberg den Freitod, mit einer Pistole. Eine Schwester wird in der Sprache der Zeit als „blödsinnig“ eingestuft und im Mannheimer Waisenhaus untergebracht.

Als einer der fruchtbarsten Fundorte entpuppte sich mir das Staatsarchiv Speyer, die Zentrale der Pfalz. Krutthofer arbeitet von 1780 bis 1785 als untergeordneter Bausekretär am Schwetzinger Schloss. Hier lernt er seine Frau Maria Anna Reinckert kennen, es gibt eine Mischehe: er katholisch, sie reformiert, die Kinder werden katholisch. 1785 wird Krutthofer ins Linksrheinische berufen, als Baumeister auf den Karlsberg im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Er gerät in die Spannungen der brüchig werdenden Feudalordnung.

Um eine Rolle in der Baugeschichte spielen zu können, kommt er zehn Jahre zu spät. Das Schloss steht bereits. So reicht es ihm nur zum Aufseher über das Baumagazin und über die Reparaturarbeiten an den anderen herzoglichen Schlösser.

Der im Stil des aufsteigenden Klassizismus ausgebildete Architekt bleibt in einer zweitrangigen Stellung hängen. Er steckt zwischen dem launenhaften Despoten einerseits, dem er als Faktotum des guten Geschmacks auch erlesene Möbel und Speisen zu besorgen hat, und einem intriganten Hofmilieu andererseits.

Um das märchenhafte Schloss Karlsberg hinstellen zu können, hat der Herzog sein kleines Land ausgesaugt. Die Kosten beliefen sich auf 14 Millionen Gulden. Damals eine unvorstellbare Summe, heute einige Milliarden Euro.
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Luxusflotte auf einem Weiher

Die Speyerer Akten offenbaren den Größenwahnsinn des Herzogs. Für eine Flotte kostbarster Binnenschiffe soll Krutthofer einen Weiher zu einem riesigen See ausbauen. Derweil muss er selber oft endlos lange auf das Geld warten, das er seinem Herzog für Leckerbissen vorgestreckt hat.

Oben auf dem Karlsberg, in einer der Dienstwohnungen, stirbt 1787 Krutthofers Frau „im Wochenbett an den Gefolgen eines bösartigen Fiebers“. Krutthofer bleibt mit vier kleinen Kindern zurück, er heiratet bald wieder. Die trübe Karlsberger Hoferfahrung wird in sein literarisches Hauptwerk „Der Fürst des 19. Jahrhunderts“ eingehen.
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Revolutionssturm

Im Gegenschlag gegen den preußisch-österreichischen Einfall in die Champagne eroberte 1793 eine französische Revolutionsarmee auch den Karlsberg. Es kommen keine Kosmopoliten, sondern rabiate Sansculotten, aus den Kellern von Paris gestiegen. Das Schloss geht in Flammen auf. Der Hofstaat flüchtet über den Rhein.

Krutthofers letzte Amtshandlung, ein halbes Jahr später: vor den Trümmern stehend, muss er ein akribisches Inventar der einstigen Herrlichkeit aufstellen. Eine Liste zum Träumen. Diese Schönheit liegt nun verkohlt vor ihm.

Der Zweibrücker Herzog, nun ein Herrscher ohne Land, braucht im Heidelberger Exil keinen Architekten mehr, eher Soldaten. Krutthofer wird nicht förmlich entlassen, erhält aber kein Gehalt mehr. Wie er sich von nun an durchschlug, wird nie mehr recht durchsichtig.

Erst im Geheimdienst der französischen Rheinarmee muss es ihm besser gegangen sein. Normalerweise lebte er kümmerlich. Später verlangte er jahrzehntelang Nachzahlungen für Gehalt und Auslagen. Der Hof, nach München übersiedelt, hatte ein schlechtes Gewissen. Der begabte, auf dem Karlsberg sehr energische und fleißige Baumeister hatte sein Gehalt nur gnadenweise erhalten, nicht aus dem Staatsbudget, sondern aus der Privatschatulle des Herzogs.
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Zwei Gesichter

In der Literatur wie in den Akten fällt Krutthofer in zwei Teile auseinander. Wie wenn er gleichzeitig noch eine andere Person gewesen wäre. Der Rhein, für fast eine Generation die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland, zerstückelte seinen Lebenslauf.

Dem Arbeitslosen kommt die regionale Verwirrung gelegen, um untertauchen zu können. Mal lebt er drüben in Worms unter seinem richtigen Namen, mal hüben in Mannheim unter einem Decknamen - und in Wirklichkeit bereist er vielleicht gerade Süddeutschland, um das Netz seiner Agenten enger zu flechten.

Als die Stuttgarter Regierung erstmals 1800 den ominösen Verschwörer identifizieren und fangen wollte, fragte sie bei der Zweibrücker Exilregierung an. Dort wusste man nichts zu sagen, „außer dass man bei demselben [Krutthofer] zu Zeiten eine starke Anlage von Eigendünkel verspürte.“

Steckt hinter dieser Nachrede der Hang zur Satire oder der Ekel vor dem Hof? Jedenfalls fiel die Antwort karg aus.

Ganz unverhofft stieß ich in Stuttgart, bei einem Fall schlimmster Geheimjustiz, auf eine neue Spur. Ein ins freie Mainz geflüchteter, dort aber isolierter württembergischer Geistlicher [Johann Heinrich Samuel Harter, einst befreundet mit Hegel] bot sich an, gegen Belohnung Krutthofer auszuhorchen. Der Spitzel musste bald resignieren. Krutthofer hielt sich gegen alle Frager abgeschirmt. Er war inzwischen Sekretär des französischen Revolutionsgenerals Moreau und damit auf dem Höhepunkt seiner revolutionären Laufbahn.
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Ausbildung

Drei Jahre nach der Flucht vor den Franzosen taucht Krutthofer in der Reichsstadt Heilbronn am Neckar auf: im Jahr 1796. Am Bau zweier klassizistischer Häuser beweist er seinen exzellenten Geschmack. In dem einen Haus, dem Gasthof „Zur Sonne“, übernachtete damals Goethe, der in einem Brief erzählt, der Architekt sei in Paris gewesen.

Von der Möglichkeit eines Studiums in Paris war ich natürlich elektrisiert. Krutthofers Bildungsgang ist noch unklar. 1767, mit fünfzehn Jahren, schreibt er sich in Heidelberg als Jurastudent ein. Zwei Jahre später erwirbt er den Magistertitel. Dann entwischt er mir für volle elf Jahre aus der bisher erforschten Geschichte.

Goethes Fährte nach Paris erwies sich als eine Sackgasse, die mich Jahre kostete. Kein Archivbestand und kein Buch erwähnen Krutthofer. Wo hat er nur den Klassizismus studiert? Auch in Rom fand ich ihn nicht.
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Literarisches Hauptwerk

Während Krutthofer sich in Heilbronn als Architekt ernährt, baut er im Untergrund ein Netz revolutionärer deutscher Demokraten auf. Noch bleibt er am Rand, erst drei Jahre später steht er im Mittelpunkt eines deutschen Revolutionsplanes.

Nebenher schreibt er an einem gewaltigen Manuskript. Zum Zeitvertreib, aus Lust an der Satire, zur Verständigung über das Wesen von Fürstenherrschaft und Volksherrschaft. Der Titel verrät keine Bescheidenheit: „Der Fürst des 19. Jahrhunderts, System der Staatskunst unsrer Zeit“.

Im vollen Bewusstsein, dass die Demokratie die Fürsten ablösen wird, rät Krutthofer den Fürsten in satirischem Ton, wie sie es anstellen müssten, um sich noch lange auf den Thronen zu halten.

Von diesem dreibändigen Werk fand ich in allen einschlägigen Bibliotheken Europas nur noch drei komplette Exemplare. Eines davon steht ausgerechnet in Karlsruhe, in der Bibliothek des Bundesgerichtshofes. Eine symbolträchtige Ironie der mageren deutschen Revolutionsgeschichte.

Krutthofer entwickelt in seinem gewaltigen Werk seine Staatstheorie. Drei Bände mit fast 900 Seiten. Diese Zähigkeit droht noch heute jeden Leser zu erschlagen. Sprachgewalt, scharfe Zunge und satirische Wucht prägen die besten Passagen. Andere Teile bleiben etwas zurück. Jedenfalls ein spannungsvolles Produkt, unstreitig ein noch zu entdeckendes Hauptwerk des deutschen Jakobinismus.
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Revolutionspläne

Den ersten Versuch zu einer Republik unternahmen die deutschen Jakobiner 1796. Da sie alleine zu schwach waren, mussten sie auf eine Zusammenarbeit mit den französischen Revolutionstruppen setzen. Als die französische Armee ohne Hilfe der deutschen Revolutionäre über den Rhein setzen konnte, verriet sie den gemeinsamen Plan zur Schaffung eines Freistaates.

Die deutschen Jakobiner waren nur die Bauern auf dem Schachbrett der französischen Diplomatie. Mit der Drohung, andernfalls gäbe es eine Revolution, wurden die deutschen Fürsten zu Verträgen mit Frankreich bewegt.

Doch damit geriet Krutthofer, der Verbindungsmann der deutschen Revolutionsgruppen ins französische Hauptquartier, in Misskredit. Davon zeugt ein Brief an Krutthofer aus der Feder des badischen Jakobiners Järgerschmidt. Krutthofer war damals in Mannheim untergetaucht, unter dem Namen Mauerbrecher und als Chef der Firma „Ballista und Companie“.

„Auf Ihre und Freund List’s Versicherung, daß meine Bemühungen und Dienstleistungen zu gleicher Zeit auch die Befreiung unseres gedrückten und unglücklichen Vaterlands mit befördern werden, habe ich mich, ungeachtet früherer Entschließungen, nichts mehr mit den Franzosen zu schaffen haben zu wollen, entschlossen, General Mangins Aufforderung zu entsprechen. Ich habe ihm aber ganz deutlich geschrieben, daß es bloß in dieser Rücksicht geschehe, und wenn er mir nicht die Versicherung verschaffen könne, so soll er auf mich nicht mehr zählen. Ich habe ihm auch zu gleicher Zeit geschrieben, wie oft und vielmal ich schon von ihnen betrogen worden sei und wie sehr ich ihre begangene Aufführung verabscheue, ich habe ihm auch detailliert und bewiesen, daß sie, ohngeachtet aller Bemühungen, ohne eine deutsche Revolution verloren seien, und wirklich sehe ich auch die Sache so an.“

Krutthofers Revolutionskonzept geht aus den Akten des Stuttgarter Jakobinerprozesses von 1800 hervor. Die ärmeren Leute sollten Klostergüter bekommen - eine soziale Komponente, die weit über das napoleonische Zeitalter hinausgreift.

Für die entscheidenden Posten nach dem Umsturz suchte Krutthofer 150 Gebildete, die Führungsschicht des Freistaats. Zu diesen Kreisen zählte auch Hölderlin, was sich bis heute in Gefilden der deutschen Hochkultur verloren hat.

Krutthofer sah eine provisorische Regierung, ein neues Landesparlament und eine württembergische Nationalgarde vor - die letzte übrigens auch als Schutz gegen das französische Militär.

Im Abschlußbericht zum Prozess schrieb die württembergische Regierung nach Wien:

„Krutthofer betreibt seine Absichten nicht nur in Schwaben, sondern auch in dem Oberrheinischen, Bayerischen und Fränkischen Kreis. Seine und seiner jenseitigen Anhänger Korrespondenz aber erstreckt sich bis nach München, Regensburg, Augsburg, Ulm und Nürnberg.“
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Französischer Geheimdienstchef in Mainz

Auch 1799 schlug der Revolutionsversuch fehl. Die Franzosen ließen ihre deutschen revolutionären Verbündeten wieder einmal im Stich. Anfang 1800 konnten die Österreicher das Netz der Revolutionäre zerreißen. Krutthofer blieb unantastbar im französischen Mainz. Er ist Sekretär des Generals Moreau, des letzten Gegenspielers von Napoleon, und kann somit als der damalige zivile Geheimdienstchef der französischen Rheinarmee gelten. Von ihm gehen Korrespondenz und Boten zu den deutschen Geheimagenten und Mitverschwörern rechts des Rheines aus.

Mit dieser Erkenntnis stöberte ich in den Archiven von Paris bis Wien. Nirgends ein Bestand mit geheimdienstlichen Materialien. Oft erntete ich auf meine Fragen überlegenes Lächeln oder Verständnislosigkeit, gar Ablehnung. Geheimdienst? Hat es doch nie gegeben. Wir haben nichts. Mancher zweifelte wohl auch an meinem Kopf.

Jede Armee hatte und hat ihren Nachrichtendienst. Im Kriegsarchiv des französischen Heeres, im Schloss von Vincennes bei Paris, fand ich nichts. Solche heiße Unterlagen, wie ich sie suche, wurden nach jedem Feldzug vernichtet.

Auf ungehobene Schätze stieß ich dagegen im Archiv des französischen Außenministeriums. Monate vor jedem Feldzug schickten Außenministerium und Generalstab Geheimagenten über den Rhein. Das konnten nur deutsche, bestenfalls elsässische Revolutionsfreunde sein, mit der Sprache, den Leuten und den Landschaften vertraut.

Im Generalstab leitete innerhalb der vierten Kanzlei ein „Büro der geheimen Korrespondenz“ diese Agenten an. Hier war lange Zeit Krutthofers Platz, auch bei den späteren Feldzügen gegen Österreich.

Allmählich erkannte ich Krutthofers doppeltes Gesicht. Nach außen hin war er loyal gegen die französische Armee, insgeheim arbeitete er zugleich auf eine deutsche Revolution hin, nicht nur ohne, sondern gegen seinen französischen Auftrag.

Schloss Karlsberg bei Homburg/Saar, 1790.
Hier wirkte Krutthofer bis zur Zerstörung 1793.
Aus den Zuständen am Hof speiste er sein großes
satirisches Werk „Der Fürst des 19. Jahrhunderts“
von 1799-1800.

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Ende aller Spuren

Mit dem Fehlschlag von 1799/1800 versiegten mir die Quellen. Der Kreis schließt sich 1805.

Krutthofer als der letzte Hoffnungsträger für eine schwäbisch-alemannische Republik, Sinclair in Haft, Hölderlin krank, der Landtag auseinandergejagt.

Von Krutthofer war nichts mehr zu hören. Ein deutscher Revolutionär im französischen Armeedienst, seine politische Utopie gescheitert, ohne jegliche Basis, denn die zerschlagenen Revolutionszirkel konnten sich nicht mehr regenerieren.

Napoleon münzte das Erbe der Revolution in das gewaltigste Militärpotential Europas um. Für Süddeutschland kam statt der großen Hoffnung die Grande Armee. Die deutschen Hilfstruppen marschierten nicht gegen die deutschen Residenzen, sondern gegen Russland.

Ein typisches Demokratenschicksal, dachte ich. Und ein typisches Verstummen der Quellen. Der Besiegte spricht nicht mehr, lässt sich von der Sinnlosigkeit auffressen, lebt sich langsam zu Tode. So schloss ich meine Krutthofer-Akte.
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Neue Spur nach Russland

Mehr aus Trotz raffte ich mich eines Tages wieder auf. Der Agent war doch in Heidelberg zuhause gewesen. Was sagen dort eigentlich die Kirchenbücher? Zuerst nichts, lange nichts. Der Alte selbst tauchte nicht auf.

Aber siehe da: 1818 heiratet eine Tochter. Dem Pfarrer sagte sie, ihr Vater sei gestorben. Wo? Wann? Das Kirchenbuch schweigt. Ich schleppe mich weiter, leicht enttäuscht. Da, 1822, dieselbe Tochter, früh Witwe geworden, heiratet wieder.

Mein Herz klopft, als ich sehe, dass sie jetzt mehr über ihren Vater sagt: „gestorben als Baumeister in Russland“. Ich reibe meine verstaubten Äuglein. Wie? Der alte Jakobiner wirft sich dem bigotten Zarenreich in die Arme, einem der rückschrittlichsten Länder Europas?

Alles ist möglich, erst recht nach langer Enttäuschung, vielleicht in giftiger Armut.

Nun wälze ich die Architektur- und Städteliteratur Russlands, belästige viele Experten, schreibe einem halben Dutzend sowjetischer Archive. Der größte Erforscher der deutschen Auswanderungsbewegung nach Russland kennt den Namen nicht, obwohl er 250.000 Personen verzeichnet hat. - Wieder eine Sackgasse?

Lange danach finde ich eine weitere Tochter in Bretten. Bei der Taufe ihrer Kinder nennt sie stets auch ihren Vater. Bereits ab 1814 gibt sie an, er sei tot. Ohne Sterbeort. So kann ich meine Krutthofer-Akte wieder zuschlagen.

Doch eines Tages packt mich erneut die Hoffnung: Warum soll sich der Pfälzer nicht im Rheinland oder in Norddeutschland niedergelassen haben? Überall Fehlanzeige, große Mühen und Kosten umsonst.
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Preußische Polizei

Aufgeregt halte ich eines Tages aus Beständen der preußischen Polizei zwei lange Spionenlisten von 1815 in den Händen: „Verzeichnis der der französischen Ausspähung verdächtigen Individuen.“

Als Nr. 33 taucht auf: „Gruthofer, angeblicher Kaufmann.“ Die andere Liste: „Verzeichnis der früher von der französischen Regierung angestellt gewesenen geheimen Polizeiagenten und Spione.“ Nach dem berühmten Charles Schulmeister aus Straßburg (Nr. 1) lese ich unter Nr. 4: „Gruthof, aus oder bei Heidelberg gebürtig, war Chef der Spionage, kaufte nach dem letzten Feldzug unter General Moreau im Jahr 1800 ein Landgut bei Speyer, diente aber 1805 und 1807 wieder unter dem französischen General Davout.“

Die preußische Polizei weckt mich aus der Resignation. Gruner, ihr Chef, war Fouchés Gegenspieler. Über die Aktivitäten der Spione im Jahr 1815 wussten die Preußen freilich nichts mehr. Es sieht so aus, wie wenn sie früher einmal in die Reihen des französischen Geheimdienstes eingedrungen waren. In diesem Milieu pflegte mancher auf beiden Schultern zu tragen. Es gewann die Seite, die den besseren Preis bezahlte.
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Geheimagent in München

Diese Spur führte mich zurück ins französische Nationalarchiv nach Paris. In den Fouché-Akten finden sich Geheimbriefe Krutthofers von 1808 aus München.

Einem Kollegen schickt er getarnte Schreiben nach Strasbourg. Oberflächlich sah der Empfänger zuerst nur Zeichnungen von Pferden und Sattelzeug. Über einer Hitzequelle tauchten dann Krutthofers geheime Mitteilungen auf, mit einer besonderen Geheimtinte unsichtbar geschrieben.

Krutthofer spricht heftig gegen die bayerische Regierung, er steht ganz auf der Seite des napoleonischen Frankreichs. Er agitiert gegen den bayerischen Adel und besonders gegen den Chef der bayerischen Geheimpolizei.

Seine Briefe adressiert er mit verstellter deutscher Kurrentschrift „An Herrn Böhm, Sattlermeister in Küfergasse No. 18, in Straßburg am Rhein.“

Krutthofer macht sich Gedanken über eine sichere Beförderung seiner Agentenpost. „Alle Tage gehe ich in München bei den Kaufleuten von Straßburg vorbei. Warum bedienen Sie sich nicht dieses Weges für die Sicherheit meiner Papiere? Ich wohne im kleinen Claragarten an der Chaussee von Schwabing. Das letzte Haus und die Herberge sind links, bei Wirt Hufnagel.“
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Alter Jakobiner

Krutthofer hört sich für den französischen Gesandten in München um und berichtet auch nach Frankreich. So gehört er zeitweise zu Fouchés Apparat in Deutschland. An wichtige Quellen kommt er freilich nicht heran. Dafür ist er viel zu sehr Adelsfeind.

Als einst gesuchter Agent muss er auf der Hut sein. Beamte seiner einstigen Zweibrücker Regierung sitzen inzwischen in München. Er hat wohl keinen Etat, um sich ergiebige Informanten zu kaufen. Krutthofer macht einen hilflosen Eindruck.

Hier spricht vor allem Bitterkeit, die Frucht dauernder Rückschläge. Von einer Gewissheit über den baldigen Sieg der Demokratie ist nichts mehr zu spüren. Zu Napoleons Schinderknecht gibt sich Krutthofer freilich nicht her.

Sein Briefverkehr wird vom Chef der Straßburger Geheimpolizei überwacht, von Charles Popp. Den erinnert dieser Münchner Agent an traumatische, radikale Zeiten, die Popp während der Terreur ins Gefängnis gebracht hatten. So notiert Popp einmal für Fouché an den Rand eines Krutthoferschen Berichtes:

„Der dritte Brief charakterisiert den Schreiber als einen unruhigen Menschen von 1793, der überall Verschwörung sieht und der nach seinem System alles berichtet, was er will und wie er es vermutet. Aber über die Deutschen sagt er die Wahrheit.“

Krutthofer befindet sich unleugbar auf der Verliererstraße. Er stemmt sich gegen Frankreichs Paktieren mit den alten Machthabern Deutschlands. Zehn Jahre zu spät. Das war schon in Rastatt besiegelt worden. Er will die Geschichte nicht hinnehmen. Das muss zur Verhärtung führen, zur Vereinsamung, zum Niedergang.

Nun nahm ich mir die publizierte Korrespondenz des französischen Generals Davout vor, von Krutthofers Chef. Ohne Register sind diese Tausende von Seiten eine Qual. Was für ein langweiliger Militärkram. Ab und zu tauchen Spione auf, doch die Namen sind getilgt.

Endlich eine Spur. Nach dem Feldzug von 1805 empfiehlt Davout, Napoleons härtester Armeeführer, dem Generalstabchef Berthier im Jahr 1806 einen erfahrenen und zuverlässigen deutschen Geheimagenten. Auch ohne Namensnennung klingt mir die Beschreibung vertraut in den Ohren. Ähnliches habe ich erstmals bei der preußischen Polizei gelesen (1815). Ist da später jemand aus Davouts Generalstab zu den Preußen übergelaufen? Aus der Anstellung Krutthofers bei Berthier wurde nichts.

Krutthofer machte keine Karriere. Warum nur? Er war Zivilist, kein Militär; Deutscher, kein Franzose; Demokrat und Adelshasser, kein Monarchist; er war prinzipienfest, keine Wetterfahne. 1809, so erzählt das Pariser Nationalarchiv weiter, rückt Krutthofer mit Davouts Armee in Böhmen und Mähren ein. Er spioniert in Österreich, stellt Wirtschaftsdaten zusammen, um die Ausbeutung der Eroberungen vorzubereiten. Auch diese Fährte bricht ab.
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Ein Toter schreibt

Lange danach finde ich Neues in München, im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Krutthofer will 1811 in der Nähe von Altdorf (bei Nürnberg) ein stillgelegtes Bergwerk wieder in Gang bringen. Bei den Feldzügen hat er wohl einiges verdient. Andere kehren als Krösus heim, er nicht. Der Bergwerksversuch unterbleibt, der Übergang zum Industriebürgertum gelingt ihm nicht.

Später bekomme ich in München eine weitere Akte in die Hand, dann noch eine in Nürnberg. Wirklich langweilig: der Gescheiterte, noch immer zäh, nervt die Regierung mit Geldforderungen für eine untergegangene Zeit, für die Jahre 1785 bis 1793 auf dem Karlsberg.

Da schreckt mich der Aktendeckel auf. Die Laufzeit der Akte geht bis 1827. Der Alte soll doch schon seit 1814 tot sein! Ungläubig lese ich die letzten Eingaben. Krutthofer schreibt weitschweifig, verworren, ohne Konzentration auf das Wesentliche. Ein kaum verständliches Zeug. Seine einst mit erstaunlicher Akribie und Schönheit gemalte, zierliche Handschrift ist größer, gröber und unsicher geworden. Er sieht wohl sehr schlecht. Er unterzeichnet nun als „Leonard van Kruthoven, Ingenieur-Architekt und Privatlehrer“, und wohnt in Altdorf bei Nürnberg.

Ich habe einen fünfundsiebzigjährigen Greis vor mir: geschlagen, verbittert, ein Wrack, ohne Hoffnungen. Von seinen Kindern schon vor dreizehn Jahren für tot erklärt.

Bisher schlugen mir alle Versuche fehl, Ort und Tag seines Todes zu ermitteln. Was ist von dem großen Agenten und revolutionären Demokraten geblieben? Alle Gebäude, an denen er arbeitete, sind zerstört. Ausgenommen zwei weniger bedeutende in der Pfalz, an denen er nur Reparaturen überwachte. Die klassizistischen Heilbronner Häuser gingen im Bombeninferno von 1944 unter. Wo er in München als Agent Fouchés wohnte, im Claragarten vor dem Sendlinger Tor, rasen heute die Autos über die Brienner Straße.

Geblieben sind das glänzende Werk „Der Fürst des neunzehnten Jahrhunderts“ und das Heidelberger Wohnhaus der Familie in der Kettengasse 19. Ohne die schmunzelnde Ironie der Geschichte zu kennen, pflegt die Heidelberger Stadtverwaltung gerade in diesem Haus ihre Partnerschaft mit der französischen Universitätsstadt Montpellier.

Hat meine zwanzigjährige Sucharbeit sich gelohnt? Ich empfinde ja. Dieser französische Geheimdienstler zählt zu den bedeutendsten frühen deutschen Demokraten. Mit ihm taucht vor uns eine ganze Generation von Republikanern auf, verschüttet von Napoleon und von Deutschlands betrüblicher Entwicklung zum monarchistischen bis diktatorischen Nationalstaat.

Hätte Krutthofer gesiegt und eine erste deutsche Republik entscheidend mit geprägt, so gäbe es heute vielleicht in jeder größeren Stadt eine Krutthofer-Strasse.

Ein Intercityzug trüge vielleicht seinen Namen durchs Land.

Ein bayerischer Käse wäre möglicherweise nach ihm benannt - und ein kärglich dotierter Satirepreis, selber wieder Satire.
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Kasten 1:

Krutthofers Charakterisierung des geborenen Revolutionärs

„Der Luxus der Untertanen muss sich auf Essen und Trinken beschränken, und der Untertan muss nun nach getragener Tageslast bei einer Kalbskeule und einer Flasche Ofner- oder Moselwein, bei der er sich wohltut und seines Leichnams pflegt, alle Dispute über raffinierte Gegenstände vergessen.

Dicke, fette, kugelrunde Menschen sind nicht zu Revolutionärs gemacht; ihre Wünsche gehen nicht über den Extrempunkt ihres Bauchs. Das Individuum, bei dem sich der innere Friede auf den Backen zeigt, das viel lacht, gut verdaut, schwerfällig und phlegmatisch ist, an Petitessen, Wein, Spiel und Liebe hängt, sich gerne putzt, schminkt, mit Essenzen parfümiert , sich selbst gefällt, ist unter jeder politischen Polhöhe glücklich, unter der seine Maschine Futter findet.

Ist, aber der Kerl hohläugig, dünnwangig, bleich und klapperdürr wie ein Windhund, so dass man ihn durch ein Nadelöhr jagen könnte, irrenden und unsteten Geistes, sanguinisch und brausend, gewandsam und sentimentalisch, gefällig und entschlossen, ernst, denkend, gravid, dem Lektüre und Einsamkeit über alles geht, der die Poltronerie hasst und die Natur liebt, dann hat er Tendenz zur Revolution, und man muss seine Aktivitäten hemmen, wenn man sie nicht für sich gewinnen kann.

Der innere Gehalt eines Menschen lässt sich jederzeit nach seinem Bauche taxieren.“

Quelle: (Anonym) [Leonhard Krutthofer]: Der Fürst des neunzehnten Jahrhunderts. System der Staatskunst unsrer Zeit. 1. Teil, St. Petersburg [vielmehr Mainz] 1798, S. 273f.

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Kasten 2:

Richtlinien der französischen Armee für die Spionage:
Das geheime Wesen

„Das geheime oder Spionenwesen ist eine wichtige Beschäftigung des Generalquartiermeisters. Die Organisation dieses Dienstes erheischt eine ungemeine Behutsamkeit.

1. Es wird eine zureichende Zahl von Spionen erfordert, um stets mehrere über Feld zu haben. Ihre Wahl ist schwer: denn damit man ihnen trauen könne, müssen ihre Gesinnungen bekannt sein, und sie dürfen nichts voneinander wissen, damit sie ihre Antworten nicht zu verabreden vermögen.

2. Sehr gut ist es, wenn man Missvergnügte von der Gegenpartei haben kann; alsdann ist alles anzuwenden, um sie zu gewinnen. Ihren Eifer zu erregen, gibt man ihnen nur eine geringe Bezahlung für unbedeutende Kundschaften, aber ansehnliche Belohnungen für wichtige Nachrichten, welche bewährt befunden worden.

3. Alles, was man ihnen verspricht, muss gehalten werden. Ehrgeizige gewinnet man durch schmeichelhafte Versprechungen, Geldgierige durch Bezahlung. Als Unterpfand ihrer Treue kann man die Familie oder die Güter, welche sie besitzen, in Beschlag nehmen. Man muß ihre schwache Seite ausforschen und benutzen; denn ohne diesen Vorteil wird man ihnen das Übergewicht nie abgewinnen, und wer nicht gelegentlich Furcht und Hoffnung zu erregen versteht, hat schlechte Bedienung von ihnen zu erwarten.

4. Der Hauptzweck, welcher durch die Spionen zu erreichen gesucht wird, ist, den Feind in allem, was er zu wissen strebet, zu hintergehen, und alles, was er zu verbergen sucht, zu entdecken.“

Quelle: C[arl] R[oger] von Ribaupierre: Handbuch für Offiziere von dem Generalquartiermeisterstabe, München 1803, S. 101-103.

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Nachtrag (2011):

Bestellt wurde der Artikel einst von Karlheinz Janßen, geb. 1930, 1963-1998 Redakteur bei der ZEIT für historische Themen. An mir erwies er sich zweimal (danach ebenso bei einem Aufsatz über Walter Krivitsky) als Könner von Unterdrückung und Besserwisserei gegenüber Pionierleistungen.

Der jakobinische deutsch-französische Geheimdienstchef KRUTTHOFER schmeckte ihm absolut nicht – der sei bloß „eine unbedeutende Gestalt“.

So sprach ein VERTEIDIGER DER HOCHKULTUR, ein Jubelschreiber für die Erfolgreichen. Passt zum Milieu der ZEIT, noch immer.

KRUTTHOFERS TOD

Nach Akten, die ich vor Jahren in München im Archiv des Bayerischen Landtags fand, ist Krutthofer 1829 gestorben, in einem Münchener Krankenhaus.

Hellmut G. Haasis
2011

 

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