haasis:wortgeburten

 

Von Not und Elend der Alleinerziehenden
von Heike Haensel
(MdB, DIE LINKE, Wahlkreis Tübingen)
(Sept. 2011)

Hans Ticha, Illustr. zu Capek: Krieg mit den Molden

Seit mehreren Jahren verbringe ich einen Teil der Sommerferien mit alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern im Rahmen einer Sommerfreizeit. Alle leben im ALG II-Bezug. Viele der Mütter sind bildungsbenachteiligt. Manche haben bereits Gewalt durch Männer erlebt, der Alltag ist geprägt von Ausgrenzung und der schwierigen Situation durch Hartz IV.

Ihre Kinder, selbst die Kleinsten, wissen schon ganz genau, dass „die Mama kein Geld hat“. Die meisten Frauen werden auch mit drei und vier Kindern in Ein-Euro-Jobs gedrängt oder arbeiten für 6 Euro Stundenlohn in Reinigungsfirmen im Schichtdienst.

Die Freizeit ist für die Kinder und Jugendlichen ein Lichtblick, endlich werden sie wahrgenommen und ihre Talente entdeckt, wenigstens für 10 Tage. Denn sie sind bereits Problemfälle, haben Schulprobleme, Heimerfahrung, leben bei Pflegefamilien.

Die Sehnsucht nach Anerkennung und der Wunsch aus ihrem Leben etwas zu machen ist bei allen vorhanden, aber die Verhältnisse lassen es nicht zu. Hinzu kommt der massive Einfluss von Medien, Werbung, Konsumzwang, dem die meisten nichts entgegenzusetzen haben. Wer da nicht mitmachen kann, zählt nichts.

Was hat da die Politik anzubieten? Wenig. Die Probleme werden SozialarbeiterInnen überlassen. Dabei wäre viel möglich. Die Abschaffung des Hartz IV-Systems, die Schaffung öffentlicher Arbeit und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 10 Euro würde diesen Familien ein großes Stück helfen. Die gezielte Förderung jedes einzelnen Kindes, egal welcher Herkunft, ist elementar und muss finanziert werden.

Mit den Eindrücken dieser Lebenswelten erscheinen die Milliarden für Banken und die „Euro-Rettung“ im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa noch monströser. Anstatt endlich die überfällige Regulierung der Finanzmärkte durchzusetzen und Banken und Kapitalvermögen, die jahrelang profitiert haben, an der Bewältigung der Krise durch eine europaweite Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer etc. zu beteiligen, wird ein massiver Sozialabbau in Griechenland, Spanien, Frankreich, Portugal, nach deutschem Vorbild vorangetrieben.

Es werden viele neue Jugendliche ohne Perspektive daraus hervorgehen und die Rettungsschirme fangen das Geld ab, mit dem die Förderung jedes einzelnen Kindes möglich wäre. Ein europaweiter Protest gegen diese zerstörerische Politik soll am 15. Oktober in Brüssel sichtbar werden.
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(Heike Haensel, Tübingen, wählte bei ihrem Artikel im Schwäbischen Tagblatt leider einen eher bürokratischen Titel: Regulierung ist überfällig. Ich hab mir eine deutlichere Variante erlaubt.)

 

 

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