haasis:wortgeburten

Lob der Weisheit Nr. 3

NARRENPREDIGT
von Anton Brenner

(Gemeinderatsfraktion Die Linke, Tübingen)

Hans Ticha: zu Karel Capek: Krieg mit den Molchen.
Einer unverbürgten Tübinger Sage nach zeigt die Zeichnung, wie in Tübingen zwei unsichere Touristen einen einheimischen Gogen (Herkunft dieses
Wortes für den Tübinger Wengerter und groben Unterstädter ist unklar)
fragen, wo hier der HÖLDERLINTURM sei.
Pointe für Auswärtige: Der Typ ist HÖLDERLIN selbst,
halt das, was die Professoren und Schurnalisten von ihm
übrig gelassen haben.
Hinten links oben eindeutig ein Schiff auf dem Neckar.

Die närrische Jahreszeit dauert in Tübingen das ganze Jahr und ihr Säulenheiliger heißt Hölderlin. Mit seinem Studienfreund Hegel richtete er sich schon vor über 200 Jahren nach der Weingärtner-Parole „Tübingen macht blau“ und soff so granatenmäßig, dass er, wie viele Studenten nach ihm, in Tübingen hängen blieb.

In jungen Jahren wetterte er „Hinweg! Tyrannen ohne Gnade, ewige Rache den Völkerschändern“. Später, eine Reise nach Bordeaux hatte ihm den Rest gegeben, machte er sich einen Spaß daraus, die Tübinger Spießer in der Neckargasse mit den Titeln „Exzellenz“ oder gar wie den Papst mit „Eure Heiligkeit“ anzusprechen.

So lange geht es also schon mit dem Tübinger Streben nach „Exzellenz“. Und „Seine Heiligkeit“, der strenge Monotheist (neben sich duldet er keine Götter, deshalb nahm Ratzinger auch 1969 Reißaus) und Tübinger Ehrenbürger Hans Küng, hat bereits eine Statue von sich selbst in seinem Garten aufgestellt.

Hölderlins Freund Hegel gelang der Absprung aus Tübingen, weil ihm Hölderlin eine Stelle bei einem Frankfurter Weinhändler besorgen konnte.

Wiglaf Droste schrieb kürzlich über die „kaffverdische Insel Tübingen“:

„Grüne und Pietisten haben ihre Leidenschaft für den Geiz reserviert, auch für den zwischen ihren beiden Ohren. Das lässt sich von Georg Wilhelm Friedrich Hegel nicht behaupten, dessen Gehirn nicht an Unterdruck litt. Auf Pegel war Hegel erfreulich kregel.“

Der „Drei-Liter-Philosoph“ Hegel entging also glücklich einer Tübinger Ehrenbürgerschaft, dafür bekamen wir dieser Tage einen Acht-Siebzehntel-Ehrenbürger.

Ein Beispiel könnte sich Tübingen an der Promotionsordnung à la Hegel nehmen, damit die armen Tröpfe nicht so viel abschreiben müssen.

Der kregle Tübinger Autor Rolf Vollmann berichtet (in „Die wunderbaren Falschmünzer“), wie Hegel 1817 Jean Paul zum Dr. phil. promovierte:

„Die beiden haben sich an einem Freitagabend wundervoll zusammen betrunken und Heinrich Voß erzählt, dass um Mitternacht dann Hegel auf Jean Paul deutend gesagt habe:

der muss Doktor der Philosophie werden.

Am Dienstag habe Hegel dann einen Punschabend gegeben und habe Voß gesagt, er solle die Fakultät zusammenrufen; das geschah am Donnerstag.

Eins der Mitglieder sei gegen Jean Paul gewesen, der sei kein Christ und trinke zu viel, beides habe Hegel sofort widerlegt.

Freitag war die Urkunde fertig, Jean Paul Doktor und dann, so Voß, hätten sie alle wieder richtig gefeiert.“

Das war aber nicht in Tübingen, sondern in Heidelberg.

Schwäbisches Tagblatt (Tübingen)
1. Februar 2012


 

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