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NACHTRAG ZU „TOD IN PRAG“, Nr. 1

Walter Wannenmacher hieß in Heydrichs Prag der herausragende deutsche Nazi-Journalist. (siehe „Tod in Prag“, S. 49, 134, 179f).

Besonderer Erwähnung erschien er mir wert, weil er auf Heydrich einen glänzenden, freilich braun-glänzenden Nachruf in der Prager Nazi-Zeitung „Der Neue Tag“ veröffentlicht hatte. Diese Würdigung troff von so viel heroischer Würde, bei gleichzeitiger stilistischer Brillanz, dass sie sofort mit Fernschreiber an Himmlers Reisezug durchgegeben wurde.

Was für eine Ehre für einen aufsteigenden jungen Journalisten, den Chefredakteur der deutschen Nazizeitung von Pag. Wannenmacher sonnte sich im kalten Glanz des deutschen Herrschers auf dem Hradschin, auch noch bei dessen Tod.

Wannenmachers NS-Stilistik der Prager Zeit wäre einer Untersuchung wert, denn er präsentierte die intellektuelle, jede Mordtat des Regimes begrüßende neue „Generation der Unbedingten“, die in diesem Stil ganz Europa umgestalten wollte.

Wannenmacher habe ich dann aus den Augen verloren. Erst Uli Renz, Karlsruhe, Autor der großen Elser-Broschürenreihe in der Elser-Gedenkstätte Königsbronn, wies mich eines Tages darauf hin: Er erinnere sich, dass in den Sechzigerjahren ein viel schreibender Journalist bei der evangelischen Wochenzeitung „Christ und Welt“ Wannenmacher hieß.

Potzblitz, wo der ästhetisch so sensible Heydrich-Verehrer gelandet war. Schon bei der schwer rechtslastigen Heydrich-Biographie von Günter Deschner hatte es Wannenmacher zum hochverehrten Hauptzeugen für Heydrichs Prager Zeit gebracht (vgl. Haasis, Tod in Prag, S. 179).

Wannenmachers Namen springt mich soeben erneut an, als ich Prager Fotos von Heydrichs Trauerfeier einscanne. Der Herr mit der ideologischen Durchsetzungsfähigkeit für die militärischen und rassepolitischen Ziele des Reiches war auch Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Böhmen und Mähren“. Im Juni-Heft 1942 mobilisierte er sein Kunstempfinden, um aus Heydrich einen Künstler zu machen. Man muss sich das genau ansehen, denn diese Zeitschrift ist heute kaum mehr zu finden.

Gleich im ersten Satz überfliegt der Kunstfreund die Niederungen des grausamen Alltags: „Politik steht zwischen Kunst und Strategie.“ (Jg. 1942, S. 188) In diesem Stil autoritativer Sätze geht es weiter, so schreiben große Prediger.

Wenn man das auf dem Hintergrund von Heydrichs Blutherrschaft liest, ahnt man: Das kann ja noch heiter werden.

Und es wird. „Die Planung von Weg und Ziel und die Wahl der weg- und zielentsprechenden Mittel zur Durchsetzung des planenden Willens hat die Politik mit der Strategie gemeinsam.“ (S. 188) Und so sabbert es weiter. Ein Mitläufer schwingt sich auf zum Papierhelden im Tross eines im Krankenhaus soeben gestorbenen Massenmörders.

Dann verherrlicht Wannenmacher den Instinkt: Bei der Politik komme es auf den „schöpferischen Instinkt“ an. Damit lässt sich alles rechtfertigen, wie Wannenmacher es dann auch tat. Eine geschickte Brücke, über die die Dumpfheit der nazistischen Realität in seine hochgeistige Weltfremdheit eindringt.

Aus diesem Quark schließt der angebliche Menschenkenner: „So ist es kein Zufall, dass große Politiker immer etwas Musisches und etwas Militärisches zugleich an sich haben.“ (S. 188)

Dann verliert sich Wannenmacher in Heydrichs angeblichen Geschichtsstudien, die nichts als eine Fälschung waren, freilich kommen regimetreue Historiker und Prediger ohne Fälschungen halt nicht aus.

Die Bemühungen der Tschechen und Slowaken um eine eigene Republik erklärt Wannenmacher zur Wahnidee: „Die Neigung zu romantisch-größenwahnsinnigen Illusionen war ja seit 1918 in diesem Raume (gemeint ist: die CSR) weit verbreitet und die Anfälligkeit für Infektionen dieser Art musste hoch veranschlagt werden.“ (S. 188)

Der Schluss dieses Heydrich-Nachrufes stürzt in die Apotheose ab, eine ewige Schande für einen Journalisten: „Die Mörder, die das Leben einer der stärksten politischen Gestalten des Dritten Reiches in der Blüte seiner Jahre auslöschten, konnten jedoch nicht den Namen auslöschen, der Weg und Ziel in diesem Raum bedeutete. Das Werk Reinhard Heydrichs wird weiterleben, getragen von allen denjenigen, die heute erschüttert im Banne der Tragik seines Todes stehen.“ (S. 189)

Wannenmachers Publikationen nach zehn Jahre Gefängnis in der Tschechoslowakei:
- Das Land der Schreibtisch-Pyramiden. 1956.
(ein Antiquar dazu: Ein Nationalökonom erlebt den Osten als Schwerarbeiter. Wannenmacher, vor dem Krieg Nationalökonom und Publizist, war von 1945-55 in tschechoslowakischer Gefangenschaft und schildert die Gleichschaltung mit der sowjet. Wirtschaft.)
- Die Umstellung auf sozialistische Ernährungswirtschaft. Untersucht an dem Beispiel der Tschechoslowakei. 1960.
- Der geduldete Kapitalismus. Wesen und Wege der Wirtschaft in West und Ost. 1964.
- Die Krise. Das Ende eines deutschen Mythos. 1967.
- Visektion der Schlagworte. Eine Zesetzungsarbeit. 1968.
- Epoche der Angst. Die Stagflation der siebziger Jahre.
1971.
- Der Beutewert der Deutschen. Analyse und Perspektiven. 1973 (Welche Rolle muß Deutschland in der Welt spielen?)
- Der zerdachte Staat. Ein Versuch, die Zeit zu verstehen. 1979
- Die Zweite Weltwirtschaftskrise. Fakten und Folgerungen, 1983.
- Irrwege der Freiheit : Was den Westen krank macht. 1986

Und W. durfte natürlich im „Merkur“ schreiben, der „deutschen Zeitschrift für Europäisches Denken“, verlegt beim Verlag Ernst Klett in Stuttgart. Er war der wirtschaftstheoretische Hausautor der deutschen Rechten. Mit dem ununterbrochenen Segnen des westlichen Kapitalismus ließ sich gut leben. Nach den Lobhudeleien für Hitlers größten Mordkumpan fragte niemand mehr.

Nachtrag:
ein seltsamer, unkommentierter Nachdruck (elektr. Datei) mit Wannenmachers Artikel findet sich unter:
HYPERLINK http://www.reinhardheydrich.org/book-03.doc http://www.reinhardheydrich.org/book-03.doc

in der Edition
reinhard heydrich
EIN LEBEN DER TAT
VOLK UND REICH VERLAG PRAG (das Jahr interessanterweise weggelassen, es muss heißen: 1942)

 

 

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