haasis:wortgeburten

KÜNG über RATZINGER (1)

Der Kommentator vom Hörensagen

von Hellmut G. Haasis (14. 10. 2005)

Seitdem ich erstmals mit Verstand erlebte, wie eine zweifelhafte literarische Überlieferung entzaubert wurde, wollte ich immer wissen:

Wie kommen auf die Papierwelt Lüge und Verdrehung über ein Zeug, das es in der Realität nie gegeben hat?

Wer also taugt zum Geburtshelfer einer Lügengeschichte? Und wie arbeiten diese begnadeten Herrschaften?

Ein tröstendes Erlebnis schenkte mir unlängst das sonntägliche Schwindelblatt von Springers Konzern, den wir einst enteignen wollten – noch heute eine echte Utopie im Sinne Blochs, ein politisch-demokratisches Erbe, das vor uns liegt.

In BildAmSonntag (2./3. Oktober 2005) ließ sich der unsäglich geschwätzige Tübinger Prof. Hans Küng interviewen zur Stasi-Akte des Bischofs von Rom: RATZINGER.

Wir erleben taufrisch die wissenschaftliche Genauigkeit des Herrn Küng.
Das erlaubt Rückschlüsse auf seine wissenschaftliche Zuverlässigkeit.

BILD bittet Küng um eine „Einschätzung“ der Stasi-Akte Ratzingers.

Küng, eitel bis zum Abwinken, greift in die Vollen. Wir sehen ihn zum soundsovielten Mal am Märchenteppich vom ARMEN PAPA RATZI weben.
Neuer Stoff für die Gebrüder Grimm.

Küng, sehr erfahren im kreativen Umgang mit den Manipulationstricks der Bewusstseinsindustrie, enttäuscht den Springer-Schurnalisten nicht, er verschärft die Märtyrer-Überlieferung mit einem Kampfbegriff, für den ihn Goebbels und der Strolch von Braunau herzlich umarmt hätten.

Küng:
„Ich habe mit Joseph Ratzinger drei Jahre lang, von 1966 bis 1969, in Tübingen sehr gut zusammengearbeitet. Was ihm dort passiert ist mit den roten Rollkommandos, die seine Vorlesungen gestört haben, das war schon ein Schock für ihn. Auch als Kollegen bedroht und sogar mit Eiern beworfen wurden, war er sehr betroffen. Diese Aktionen haben sicherlich dazu geführt, dass er die Universität Tübingen verlassen hat, obwohl ich sehr bemüht war, ihn zu halten.“

Soweit der neue Bruder Grimm.
Das verräterische Wörtchen „sicherlich“ sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Mag auch sein, dass Küng, der unendlich viele Interviews im Lauf einer Woche gibt, das herrliche Wort von den „roten Rollkommandos“ gar nicht gebraucht hat – aber er ließ es nicht widerrufen.

Und nun beurteilt Küng eine Akte, die er gar nicht gesehen hat und deren Wortlaut er nicht kennt, wenigstens nicht selbst überprüft hat.
Als Theologe ist er eh gewohnt, solche Kleinigkeiten wie den exakten Wortlaut für unwichtig zu halten. Nur der Glaube zählt.

Küng hätte Stellung beziehen können zu dem derzeitigen Forschungsstand, dass es in der katholischen Kirche 223 kirchliche Mitarbeiter gab, die für die Staatssicherheit spitzelten.

Sauberer Laden, kann ich da als Freidenker nur sagen. Wo bleibt da die roinügende Wirkung, die heiligende und erlösende Wirkung der Sakramente?

Wir wollen nicht sagen, diese Masse von Spitzeln sei nichts gewesen.
Küng greift zu einem Ablenkungsmanöver, er verlegt das Gewicht auf anonyme, von ihm nie gesichtete „rote Rollkommandos“, auf böse Störer in Vorlesungen, auf Eierwerfer.

Hat er denn je nachgeforscht, wer die Eier bezahlte? Ich kannte in Tübingen den alten Kommunisten, der uns damals körbeweise Eier besorgte. Wir bekamen sie für unsere tägliche Agitation und Wurfübungen umsonst.

Das ist das Geheimnis der Tübinger Rollkommandos.

Was für ein Glücksgefühl, einen aufgescheuchten Kleriker mit einem faulen Ei zu treffen.
Der schwäbische Kommunischt bot uns, sparsam, wie ein Schwabe noch im Untergrund sein muss, nur faule Eier an, der Lauser und Schlingel.
Ein Tagedieb – genau wie wir selbst.

Nun trifft Küng bei BILD neben die Fragen. Anstatt schlimmste Verschwörungen der gottlosen Agenten aus dem Osten endlich zu belegen, findet er in der Stasi-Akte Ratzingers nichts neu, es sei doch alles bekannt gewesen.

Da fragt sich der Leser: Wozu das ganze Gejammer? Warum werden wir an der Nase herumgeführt mit Pseudonachrichten, die alte Kamellen als Ergebnisse hochkonspirativer Wühlarbeit verkaufen wollen?

Nur acht Stasi-Spitzel sollen Ratzinger beobachtet haben?
Total unmöglich.

Wir haben dem Ratzinger in unübersehbaren Massen aufgelauert. Ein altes Protestantenland, Württemberg.

In uns stand der Arme Konrad wieder auf, 1516 der Schrecken des württembergischen Besitzbürgertums.

Über uns schwebten der alte Jos Fritz und seine Bundschuhfahne.

Unter uns malten neue Jerg Rathgebs.

Manch bitterböser Lotterbube hätte gerne die Weinsberger Geschichte des Jäcklein Rohrbach an den Freunden des Vietnamkrieges durchprobiert.

Wir haben es selbst gesehen, ich bin Zeuge: die Hörsäle von Tübingen waren überfüllt mit Tausenden von Stasi-Spitzeln.

Wir bezahlten übrigens – das sei den Herren Schurnalisten gebeichtet – in Tübinger Geschäften bevorzugt mit Ostgeld, mit Ulbrichts Münzen. Wir wollen uns nicht beklagen: Diese butterweiche kommunistische Blechwährung wurde gerne angenommen, in den Läden der Rückversicherer sogar mit 10 % Preisnachlass.
Mensch, waren das Zeiten!

Zuletzt zu den Trillerpfeifen, mit denen die roten Rollkammandos Ratzinger schockten: Die haben wir aus Beständen der Kasernierten Volkspolizei bezogen, was man sehen konnte an einem kleinen Eindruck im gebogenen Innenbereich. Jeder Eingeweihte konnte an der Trillerpfeife erkennen, woher wir finanziert wurden.

Die Anhänger des RCDS, der Studentenvereinigung der CDU, hatte ganz andere Trillerpfeifen, was uns amüsierte, sie aber verwirrte. Und unsere waren stärker, das freut mich noch heute.

Ich kann auch bezeugen: Wir haben in studentischer Verbundheit einige Male nach einer Hörsaalsschlacht unsere Trillerpfeifen getauscht, wie Fußballspieler ihre Trikots. Wir waren großzügig, denn meistens waren wir die Sieger.

Glückliche Augenblicke in unserer tiefstroten Wühlarbeit.



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