haasis:wortgeburten

 

NSDAP MITGLIEDSLISTEN JAHRGANG 1942

der focus und der spiegel und die zeit und die faz und wer sonst noch druckerschwärze rumstehen hat – alles wundert sich über die wunder, die die NSDAP uns wieder einmal beschert.

die kriegsentscheidenden jahrgänge 1926 und 1927 wurden bergeweise, unbesehen und unsortiert in die partei aufgenommen.

warum diese aufregung? hätte denn die partei jeden einzelnen rassisch und konfessionell und nach rechtschreibschwächen untersuchen sollen? es ging doch bloß um die kompletten listen für führers wiegenfest und den endsieg. der ist dann auch gekommen – oder so gut wie. oiner gwennt halt emmer. moischdens.

ich verstehe die aufregung nicht. was hat die mitgliedschaft diesen jahrgängen je ausgemacht? schlimmer waren andere, die nie drin waren und bis zum eintritt des sargschreiners am ende ihres lebens von deutschlands mission und von der minderwertigkeit des weltläufigen restes überzeugt waren.

also ich lass mir all die vielen zeitgenossen nicht vermiesen, die aus versehen korrekt blieben.

was mich aber echt und aufrichtig empört und worüber ich seit zwei wochen nicht hinwegkomme und schon mittags nicht mehr schlafen kann, ist die bodenlose frechheit, immer noch nicht von meinem jahrgang zu reden.

wie wenn es uns nicht gegeben hätte. ja wo kommen wir denn hin, wenn wir diese achtlosigkeit so weiterlaufen lassen?

ich kann hier versichern – ja wer sollte es denn sonst tun, wenn nicht ich? einer kriegt immer die arschkarte – ich kann also nicht anders und stehe hier vor der weltöffentlichkeit und versichere, dass bei uns DER GANZE JAHRGANG im KINDERGARTEN aufgenommen worden ist, in die damals noch unbescholtene NSDAP. dass der verein dann so unbeliebt enden würde, konnten wir ja nicht ahnen.

worauf wir uns berufen können? auf die genahade der reichlich verspäteten geburt.

wovon ich rede? von MEINEM JAHRGANG, sag ich doch.
was war das für einer?
wir waren schon damals die letzten hoffnungsträger, manche noch lange windelträger, einiger später nur ganz gewöhnliche hosenträger.

ich meine den JAHRGANG 1942, meinen. die laschen 43er haben wir nicht mehr aufgenommen. als dennoch unser orts-suppenleiter so einen unsinn vorschlug, sprangen wir geschlossen auf unsere kleinen kindergartentische und tobten herum, wie wir es von der NIGGERMUSIK gehört hatten, schlugen unser geschirr aneinander und schrien rhythmisch:

DIE 43ER NICHT!
DIE 43ER NICHT!
DIE 43ER NICHT!

probiert es, tut gut.

nach einer halben stunde bekamen wir unseren willen, die ebenfalls schon fertigen 43er-mitgliederlisten wurden dorthin gesteckt, wohin sie gehörten: in den reichs-papierkorb.

dort haben inzwischen fantasievolle zeitungs-märchen-erzähler sie gefunden, ins bundesarchiv getragen und durch einen verlagsboten wieder abholen lassen.

was wir für die partei geleistet haben? wir sind DER LETZTE JAHRGANG gewesen – hab‘ ich, glaub‘ ich, schon gesagt - der noch ehrenvoll aufgenommen wurde. unsere kindergartentanten haben beidhändig unterschrieben.

den dränglern haben wir eine lange nase gemacht und sie verhöhnt, denn als sie fragten, was sie jetzt ohne partei machen sollen, haben wir, hellsichtig wie wir waren - und nur wir -, sie vertröstet, sie sollten stracks in die neuen parteien eintreten. dort bräuchte man auch noch namen in den vorbereiteten mitgliederlisten. bis dahin könnten sie ja vielleicht auch richtig schreiben.

was lernen wir aus der verdrängung unseres, des letzten PARTEIJAHRGANGS?

traut keinen zeitungen, die sich an immer blöderen dummheiten dusslig schreiben. fragt die wirklichen zeit-zeugen: FRAGT UNS - DIE BASIS.

noch eine baustelle: warum ist eigentlich die aufdeckung der vielen waffen-ss-mitgliedschaften so jämmerlich eingeschlafen? ja, ist dort wirklich niemand gewesen?

NIX GELESEN
NIX GEWESEN

den kollegen grass muss ich enttäuschen. seine mitgliedschaft ist nicht so sehr überraschend als die des jahrgangs 41. woher ich das weiß? wieder aus dem kindergarten. denn dort haben wir bis kriegsende das getan, was ein gesunder deutscher junge tat und heute viele in industrie und handel noch immer so liebend gerne tun: wir haben KRIEGERLES GESPIELT. immer haben die germanen gewonnnen, aber unter ausschluss des PERFIDEN ALBIONS.

ein paar beulen haben wir uns geholt, aber keine syphillis.

mal sehen, was nächstens noch übersehen wird, wenn die zeitungsdrucker wieder EINE NEUE SAU DURCHS DORF TREIBEN.

Ja, hab ich denn nicht gesehen, wie der papst, damals des kloine benediktle ghoißa, einmal einem juden, der schon gar nicht mehr da war, eine lange nase gemacht hat?

irgendetwas sensationelles werden wir schon noch finden. NUR GEDULD – und ein bisschen fantasie.

im namen des entrechteten, des missachteten JAHRGANGS 42.

viele grüße auch von meinen liebsten 42ern, dem sardischen bildhauer PINUCCIO SCIOLA und dem prager jazzer JÍRVI STIVIN, alle sind geschockt von so viel historischer ungerechtigkeit.

das war das letzte mal. Nächstes mal lassen wir uns das verschweigen unsere jahrgangs auf listen nicht mehr gefallen. wie schreiben da die zeitungsleute?

WIR SCHREIBEN GESCHICHTE.
hellmut g. haasis, reutlingen
(juli 2007)

 

/satiren_alltag/nsdap42.php | anares.org | comenius-antiquariat.ch Samuel Hess 2005