haasis:wortgeburten

 

Meine Süß-Biografie „undifferenziert“? (3)
„Joseph Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß. Finanzier, Freidenker, Justizopfer“

herrn prof. jörg schönert, institut für germanistik II, hamburg

28. 7. 2006
buon giorno herr schönert,

mein name wird ihnen vielleicht in erinnerung sein. er geistert seit mehr als zehn jahren durch ihr projekt zur deutschen jakobinerforschung. ich habe dazu nachträge geschrieben. bis heute ist mir keine veröffentlichung bekannt.

was ich fragen wollte: in ihrem projekt über joseph süß oppenheimer glitt meine name über den horizont der forschungsgruppe, an der sie beteiligt sind.

als ich neulich zu einer diskussion nach göttingen eingeladen wurde, stieß mir die kritik einer anonym auftretenen und bleibenden frau an meiner süß-biografie merkwürdig auf. diese position ist abgesegnet durch den aufsatzband der hamburger tagung.

können sie mir sagen, was die organisatoren sich dachten, als sie den einzigen süß-biografen glaubten AUSSCHLIESSEN ZU MÜSSEN?

ich glaube nicht mehr, dass eine solche taktik allgemein üblich und notwendig ist in akademischen kreisen. gleich nach der tagung hat mich eine teilnehmerin angesprochen, warum AUSGERECHNET DER BIOGRAF FEHLTE. ich habe drei lehrstuhlinhaber nach den gepflogenheiten gefragt: sie verstanden das ganze nicht.

nachdem ich in der „tribüne“ einen aufsatz über die neueste süß-rezeption publiziert habe, möchte ich weiterhin beobachten, wie meine arbeit beiseite gedrängt wird. es gehört ja auch zur süß-rezeption, wie die einzige biographie rezipiert wird. ich kann nur sagen: sehr selektik, SEHR GEZIELT ABWERTEND, den autor ausklammernd. aber das ging ja schon süß so.

ich begreife nicht, wie die sonst so aufmerksamen süß-interessenten noch nach zehn jahren die von mir edierte und in mehreren arbeiten behandelte einzige jüdische gedenkschrift (salomon schächter: relation, 1738) nicht rezipiert haben. steht dahinter eine bestimmte STRATEGIE?

glücklicherweise gibt es ja jetzt im internet die möglichkeit, solche beobachtungen schnell zu verbreiten. das publikum in göttingen war übrigens aufgeschlossen und unvoreingenommen. es gibt also auch GEGENSTRÖMUNGEN gegen vorherrschende wissenschaftliche richtungen.

ihre antwort ineressiert mich sehr. vielleicht lief ja alles ganz anders und ich begreife nur nicht, dass bei einer diskussion unter akademischen forschern ein einfacher autor NICHT ERWÜNSCHT ist.

tanti saluti
hellmut g. haasis

29. Juli 2006
Lieber Herr Haasis,

aus dem Projekt zur Jakobinismus-Forschung bleiben Sie mir stets in gutem Gedächtnis - und unsere geplante Publikation soll bald verwirklicht werden, so daß wir uns über die Ergebnisse aus den 30 Interviews austauschen können (es ist ein mühselig-zeitraubendes Geschäft, diese Texte in veröffentlichungsreifer Form zu erhalten - deshalb arbeiten wir leider 'mit Verspätung').

Was "Jud Süß" betrifft: Sie waren mit Ihrer wichtigen biographischen Studie
auf der Konferenz sozusagen im Zitat ständig präsent, doch ging es FRAU
PRZYREMBEL und mir ja nicht um die Biographie (da hatten Sie schon ganze
Arbeit geleistet), sondern um die unterschiedlichen (und intermedialen)
Aspekte der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte im Zeichen von 'Jud Süß'.

Wir hatten deshalb nicht nur Historiker/innen eingeladen, sondern eben auch beispielsweise Vertreter/innen der Literatur- und Medienwissenschaft (wie Herrn Knilli) oder der Rechtsgeschichte. Und es ging uns um 'die Zukunft' einer interdisziplinären 'Jud Süß-Forschung', so daß die deutliche Mehrzahl der Vortragenden - so wie es auch die DFG als Förderin der Tagung anstrebt - dem 'akademischen Nachwuchs' angehörten.

Nach den Förderungsrichtlinien der DFG ist weniger der Blick zurück - auf die schon erbrachten wichtigen Leistungen (wie Ihre Biographie) - entscheidend als eben der Blick in die Zukunft. Ich weiß, wovon ich rede: Für mich beginnt in einem halben Jahr der 'akademische Ruhestand' - und ich habe mich seit geraumer Zeit darauf eingestellt, daß ich 'die Bühne des Geschehens' gerne Jüngeren überlasse.

Wir haben Sie, lieber Herr Haasis, also nicht ignorieren wollen, sondern wir
wollten Impulse dafür geben, daß engagierte Wissenschaftler/innen 'aus dem Nachwuchs' den Weg einschlagen, den Sie bereits gegangen sind, und weitere Wege suchen.

Mit vielen Grüßen,
Jörg Schönert

30.7.06
buona sera herr schönert,
dank für die rasche antwort.

mit dem inhalt kann ich mich nicht anfreunden, ich halte ihn für eine ELEGANTE AUSFLUCHT. immerhin gekonnt.

ja, die jungen, die werden's richten.

mitnichten: schon als ich jung war, herrschte vor die linie der ausschließung von nebenlinien. schon damals gefestigt durch richtlinien, durch anweisungen, durch kompetenz-überlegungen usw.

das alte lied. aber das spielt ja auf einer anderen welt. ich beschrieb ihnen in meinem nachtrag zur jakobinismus-forschung DIE GANZE ANDERE KOOPERATIONS-STIMMUNG UNTER DEN AUSSENSEITERN, damals.

wenigstens gut, dass ich eine antwort hab. eine unbefriedigende ist besser als keine, denn man ist die lästigen spekulationen los: WAS SOLL DAS SCHWEIGEN BEDEUTEN?

guten abend nach hamburg
hurrah, wir haben eine tasse voll regen bekommen.

Süß am Galgen Zeichnung Jona Mach 1994

 

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