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NÜRNBERGER Underground 1789-1809
Vortrag von Hellmut G. Haasis
(Nürnberg, 29. September 2006)

Überarbeitete Version 6.11.2006 | Alte Version (mit Bildern)

NÜRNBERGER UNDERGROUND 1789-1809
Vortrag von Hellmut G. Haasis
(Nürnberg, 29. September 2006)

EINFÜHRUNG

Was mag das wohl sein - der Nürnberger Underground in der Ära der Großen Revolution? Die Subkultur einer wirtschaftlich wie territorial gebeutelten Reichsstadt? Sicher müssten die Menschen dabei irgendwie aktiv gewesen sein, aber wie? Was lässt sich nachweisen durch Zeugnisse?

Einwohner zählte man in Nürnberg damals um die 29.000, doch in der Überlieferung dominieren Patrizier, Ratsherren, Genannte, Rechtsbeistände, Handelsherren und eine Menge Zunftmeister. Alle oben, manche reichlich hoch.

Und die anderen? Wo sind die hingekommen? Die Gesellen, Schwerarbeiter wie die Rußigen, Tagelöhner, kleine Händler, Arbeitslose, Landstreicher, die Unzünftigen vor den Toren der Stadt? Und erst recht die vielen Frauen? Sie alle stellten den Gegenpol zur Hochkultur dar: die Massenkultur der einfachen Leute, die gar nicht immer so einfach waren, angeblich ungebildet. Höchstens Polizei und Gefängniswärter nahmen sich der Unerwünschten an.

Der Underground ist jedenfalls in meiner politisch-kulturellen Reise durch ein kulturelles Niemandsland keine Untergrundbahn, kein Fetischkult und auch keine Nürnberger Rockband.

Flugblätter auf dem Marktplatz, ideal zum Einschmuggeln von verbotenen Blättern

Wer sind die kreativ Mitwirkenden dort unten? Böse Burschen, heimatlos, ungepflegt, die streng riechen, auf Kosten der Saubermänner leben und unverschämt über alle Anweisungen von oben lachen.

Was wäre das für eine Alternative in der Nürnberger Geschichte gewesen, wenn der Untergrund die Verhältnisse hätten mitgestalten können: Die Preußen wie die Bayern hätten die Finger von diesem Nürnberg gelassen - oder zusammen einen Feldzug dagegen unternommen und danach die Beute geteilt?

Aus dem Finstern von unten kommt nicht nur Vorübergehendes, das keinen Bestand gewinnt. Mitten drin taucht hier auch ein Teil der Moderne auf. Da bereiten zukunftsträchtige Strömungen den Boden für Erleichterungen des Lebens vor, zum Nutzen aller und nicht nur der Vermögenden.

Finsteres Haus (Hugo Steiner-Prag). Ort zur Niederschrift polizeiwidriger Texte.

DER ANFANG AM ROTEN HAHN

Durch die Tageszeitung, den “Friedens- und Kriegscourier”, waren die Nürnberger grob informiert über die sich anbahnende Umwälzung in Frankreich. – Leicht wird freilich vergessen: Den Ärmeren fehlte das Geld, eine Zeitung zu kaufen. Das zwang zum gemeinsamen Lesen, zum Zuhören. –

Mit dieser Einschränkung lasen die Nürnberger schon im Mai 1789, beim Zusammentreten der Generalstände sei das Volk in Paris wütend auf der Straße zusammengelaufen. Als ein Fabrikant die Arbeiter anpöbelte, sie hätten doch genug Lohn, eine Verteuerung des Brotes werde ihnen nichts ausmachen, da griffen 500 bis 600 der Beleidigten zu Knüppeln, zimmerten einen Galgen, knüpften eine Puppe dran, die den Fabrikherrn darstellen sollte, und führten das Drohzeichen durch die Stadt. Die Kaufleute reagierten, wie sie es überall tun: Mit schlotternden Knien schlossen sie ihre Läden.

Gespräch in der Kneipe (Hugo Steiner-Prag). Hier erfährt man alles, was der Obrigkeit und dem Mainstream und den Medien nicht passt.

 

Im Juli stürmte das Volk das Bastille-Gefängnis. Anfang August erzählten Reisende in Nürnberg, die Bauern im Elsaß wie in Südbaden hätten sich gegen ihre Grundherren erhoben, sie forderten ihre geraubten Waldrechte zurück, Schlösser gingen in Flammen auf.

Nun meldet sich mit Gespür für den richtigen Zeitpunkt der Nürnberger Underground zu Wort. In der Nacht vom 12. zum 13. August 1789 heften unbekannter Hände einen handschriftlichen Aufruf an den Gasthof “Roter Hahn”, gleich neben der Kirche St. Lorenz. Zentral also - und dennoch wird das Blatt erst um 9 Uhr abgerissen und denunziert. Es dürften sich bis dahin schon einige Passanten daran gefreut haben.

Der Autor knüpft an eine alte Oppositionsströmung in der Bürgerschaft an. Schon 1778 hatte ein Anschlagzettel “eine Rewellion” angedroht. Die Asche ist noch nicht kalt.

In dem neuen Zettel spricht kein dahergelaufener, sondern ein gebildeter Nürnberger. Treffsicher bedient er sich der politischen Sprache der Zeit. Ein führender Kopf der Opposition, der mit großer Zustimmung rechnen kann. Der Text – nennen wir ihn unbekümmert die Taufakte der Nürnberger Demokratie - ist es wert, vollständig zu Wort zu kommen.

Polizeistreife in Zivil, Hausdurchsuchung oder Verhaftung eines Herstellers von Underground-Literatur.

“Auf, Brüder! Auf, Bürger!
Jetzt ist der Zeitpunkt, dass ihr eure Freiheit, eure angeborne Rechte wiedererlangen könnt. Ihr, meine Mitbrüder, lebt jetzt außerordentlich im Druck, erhaltet keine Gerechtigkeit, seid immer die Schlachtopfer der adeligen Kanaillen.

Brüder, wollt ihr noch lange so bleiben? Seid ihr feig worden? Ist aller Patriotismus aus eurer Brust verbannt?

Ahmet den Beispielen anderer Nationen nach, und es glückt euch; denn jetzt haben unsere hochadeligen Schurken und Dummköpfe von niemand Hilfe zu erwarten. Sie beschneiden alles, was bürgerlich heißt, damit sie ihren Rachen füllen können.
Ich nebst noch 39 andre, lauter entschlossenen Bürgern, haben uns mit dem stärksten Eid verbunden, an eurer Spitze zu stehen, auch im Fall Feuer in der adeligen Bestien Häuser zu legen.

Doch schonet die, so nicht von dem adeligen Geschmeiß sind!

Schon lange glühet der Geist der Empörung in mancher guten Bürgerbrust. Schreibt ihnen mit Gewalt Gesetze vor und schränkt sie ein, so werdet ihr siegen, sonst aber immer mehr gedrückt werden.

Die vorzüglichsten Schurken und hochmütigsten Ochsen sind Kriegsobrister neben Konsorten, stärkster der Flegel.”
(Haasis, Spuren der Besiegten, 2. Band, S. 600-601)

Der Autor brennt vor Ungeduld, organisatorisch ist er freilich noch isoliert. Die diffuse Oppositionsstimmung in der Stadt kommt ihm freilich feige vor. Eine Handlungsanweisung, wie die Ratsherren und Patrizier zu stürzen seien, fällt ihm noch nicht ein.

Der Magistrat antwortet, wie alle Herrschenden bis heute es tun, ausschließlich mit Polizeimethoden: mit Nachschnüffeln, mit dem Vergleichen aller Handschriften in den Amtsakten.

Der Nürnberger Schriftsteller respektiert die ungeschriebenen Gesetze des Undergrounds: Schweigen, Anonymität, Verstellung der Handschrift, sich von niemandem provozieren lassen, auf der Hut sein vor Spitzeln, die vielleicht auf einmal im “Roten Hahn” groß tun, sie würden gerne mitmachen, wen sie ansprechen müssten?

Die Magistratsherren verlegen sichh aufs Moralisieren. Eine hilflose Reaktion überforderter Herrschaften. In dem angeklebten Blatt sehen sie nichts als ein “schändliches Pasquill”, der Autor sei “boshaft”. - Pasquill pflegte man eine Schmähschrift zu nennen. –

In einer unfreien Öffentlichkeit fällt jede unbequeme Schrift unter die Kategorie Pasquill. Der preußische Gesandte am fränkischen Kreistag, Graf von Soden, sah in den nächsten Jahren in Nürnberg nur noch “seditiöse Pasquillen” herumschwirren. (Scheel: Süddeutsche Jakobiner, S. 114).- Seditio heißt Aufstand. - Er ahnt durchaus zutreffend, dass hier das Ende des Alten Regimes eingeläutet wird.

Die Feudalstaaten Preußen und Österreich agitieren und rüsten inzwischen gegen die französische Freiheitsbewegung. Sie wissen, dass die eigenen Untertanen nicht mehr länger niederzuhalten seien, wenn die Franzosen siegen. Nichts steckt so intensiv an als der Erfolg.

Also ziehen die beiden Großmächte Truppen in Koblenz am Mittelrhein zusammen. Eine Provokation, die den Underground beflügelt, vor allem in Süddeutschland. Die militärische Entwicklung treibt auf die Geburtsstunde des deutschen Jakobismus zu, unserer revolutionären Demokraten.

Der Krieg gegen Frankreich ist in ganz Deutschland unbeliebt. Jeder Krieg führt zur verteuerten Lebensmitteln, Särgen, Tränen und verarmten Familien.. Soldaten essen das Land leer, auch wenn sie nur untätig in Quartier liegen. Das verschärft die wirtschaftliche Not in Nürnberg. Gewerbe und Handel befinden sich schon lange auf dem Abstieg. Preußen dringt von Ansbach-Bayreuth her aggressiv vor, reißt Nürnberger Territorium an sich und erschwert mit Zöllen den Export, ohne den die eingeengte Stadt nicht leben kann.

Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Viele Branchen sind überbesetzt: Sie haben zu viele Leute und zu wenig Aufträge. Einen andern Beruf auszuüben, ist nach der Zunftverfassung untersagt. Wer es dennoch tut, wird ausgestoßen. Aus den Kreisen der am stärlsten von der Krise geschüttelten Zünfte kommen die radikalsten Gegner des Rates: Nürnbergs frühe Demokraten.

Der französische König versucht aus seinem Land zu flüchten, um mit einem ausländischen Invasionsheer zurückkehren und blutige Rache zu nehmen. Er wird von einem Postmeister gefangen. Ein kleiner Mann: der Held des neuen Frankreichs. Das allgemeine Volk kommt als Subjekt der Geschichte in den Blick. – Wie lange?

Merkwürdige Reise, Nürnberger rotzfreches Volkstheater, illegaler Druck.


MERKWÜRDIGE REISE DES PAPSTES
IN DIE HÖLLE

Zur antiklerikalen, antiadligen Stimmung passt das 2. Stück des Nürnberger Undergrounds: “Merkwürdige Reise des Papstes in den Himmel, in die paradiesischen Gerichtshöfe und in die Hölle. Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von einem Freunde der Konstitution. Rom und Avignon 1792.”
(Haasis, Gebt der Freiheit Flügel, 1. Bd., S. 314-329)

Bisher war dieses Stück bester satirischer Literatur verschollen, nach langem habe ich in Bibliotheken und Archiven gerade noch zwei Exemplare gefunden. Die Zensur hat gewirkt. Schwäbische Freidenker haben dieses Stückchen inzwischen als eine ihrer ältesten Urkunden lieben gelernt und werden es erneut herausgeben. Dem Nürnberger Underground zur Ehre – und mit Freude über die alten Wurzeln eines frechen Freidenkertums.

Die Satire fällt im Februar 1792 der Frankfurter Polizei in die Hände. Recht so, anders passiert ja nichts. Ein Buchhändler hat einige Exemplare von dem Nürnberger Buchhändler Mann erhalten und in seinem Laden ausgelegt. Der beschuldigte Nürnberger redet sich auf einen Erlanger Buchhändler hinaus, das französische Original sei aus Straßburg gekommen. - Damals Zentrum der deutschsprachigen Revolutionspropaganda für die uninformierten Deutschen rechts des Rheines. - Der Nürnberger Buchhändler ist beim Verhör verängstigt, er distanziert sich von der Schrift, sie sei ekelhaft. Später wird er mutiger.

Der Nürnberger Magistrat verbietet die Schrift und lässt alle Nürnberger Buchhändler einen Revers unterschreiben, dass sie kein Exemplar verkaufen.

Die Spottschrift erzählt die Reise des Papstes wie ein Lustspiel, der Spaß auf Kosten des Klerus. Die befreiende Botschaft der Kritiker und Spötter: Die Kirche passt mit ihrem Absolutheitsanspruch und ihren autoritären Strukturen nicht zur neuen Freiheit.

Der Gott dieses literarischen Scherzes erweist sich als ein armer Wicht: alt, sehr alt, zittrig, machtlos und ohne die geringste Ahnung. Möglicherweise sei der Papst auch bloß eine Karnevalsmaske, wirft der Autor unverfroren hin.

Der Papst reist in den Himmel und will mit den Schlüsseln des Petrus die Himmelstür aufschließen. Geht nicht, denn das viele Blut, das frühere Päpste mit ihren Morden vergossen haben, ließ die Schlüssel verrosten.

“Darüber betroffen, pochte der heilige Vater mit seinem Kreuz gewaltig an.
Der heilige Petrus fragte: “Wer ist da?”
Der Papst antwortete: “Großer Heiliger! Es ist dein Nachfolger.”
Der Himmelspförtner guckte durch das Schlüsselloch und schrie: “Du lügst! Ich war nichts als ein armer Fischer an den Ufern des Sees Genezareth, der ganz einfache Kleider und einen ledernen Gürtel trug; wenn du also mein Nachfolger wärest, so würdest du nicht so prächtig gekleidet sein.”
(Haasis S. 319)

Der Spaß geht weiter: Die Himmelstür ist eng ausgefallen, der Papst aber durch das gute Essen so fett geworden, dass er nicht durchkommt. Ein herrliches Stück antiklerikaler Volksliteratur. Leider noch nie in einem Theater aufgeführt, nicht mal nachgedruckt.
Wie ließe sich das nachholen?

Der Rat wird mehr und mehr zum Gegenstand des Spottes. Denn wenn es den Leuten schon schlecht geht, so wollen sie wenigstens lachen, über ihre Machthaber. Das Lachen unterliegt ja keiner Zensur. - Heute würde man von Parteienverdrossenheit reden, am Lachen hapert es noch gewaltig.

 

MACHTARROGANZ WIRD BESTRAFT

Die Nürnberger lästern weiter. Ein neues Spottblatt gegen den Rat wird am 5. Juli 1792 gefunden (Ernstberger S. 426). - Die deutsche Invasionsarmee befindet sich inzwischen auf dem Marsch nach Paris, wie sie glaubt. Die Truppe der antidemokratischen heiligen und adligen Arroganz bleibt in der Champagne stecken – nicht im Champagner. Frechdachse singen gleich danach, die Deutschen hätten nach den vielen unreifen Trauben in die Hosen gemacht.

Arroganz wird von der Geschichte bestraft. Die deutsche Armeeführung hatte ihren linken Flügel völlig entblößt, schon vor dem Marsch sah sie sich am Ziel. So rafft der französische General Custine in Landau etwas Truppen und freiwillige elsässische Nationalgardisten zusammen und marschiert unbehindert vor die Tore von Mainz. Der Adel flüchtet massenweise, bis weit über Ulm hinaus wälzen sich die Herrschaften nach Osten. Das Land wird adelsfreie, ohne gewaltsame Erhebung, nu aus Angst vor der neuen Zeit.

Die rechtsrheinischen deutschen Demokraten jubeln und wünschen sich überall französische Truppen herbei. Doch niemand hat eine Idee, was man mit der Macht, die auf der Straße läge, anfangen könnte.

Sehr deutsch, diese Klemme. Man könnte ja, nach dem erfolgreichen Vorbild der Franzosen, Jakobinerklubs gründen, sich politische Bildung zulegen, Meinungen austauschen, Flugschriften und Zeitungen herausgeben, das Rathaus besetzen, zweifelhafte Amtsinhaber vor Gericht ziehen, die Justiz von Speichelleckern befreien – Es gäbe viel zu tun und es könnte ja auch Spaß machen. Aber nein. Die Deutschen warten lieber: Ist ja auch sicherer. Vielleicht werden’s die Franzosen allein für uns erledigen? - Viel Kopfweh und keine Taten und bedächtige Spekulationen, wo man mehr gewinnen könne: beim wagenmutigen Eingreifen in die neue Zeit oder beim Hinhalten und Tee trinken.

WIENER REVOLUTIONSPLAN FÜR NÜRNBERG

Noch bevor die deutsche Invasionsarmee im September 1792 zurückgeschlagen wird und damit die Revolution auf die Tagesordnung der europäischen Völker kommt, entwickelt in Wien Andreas Riedel eine kühne Revolutionsidee (Haasis, Gebt der Freiheit Flügel, 1. Band, S. 230-246).

Riedel ist der ehemalige Mathematiklehrer des regierenden Kaisers Franz. Enttäuscht über die kriegslüsterne Politik seines einstigen Schülers, will Riedel dem Monarchen Angst einjagen. Dafür täuscht er eine gesamtdeutsche Verschwörung vor. Er verschickt Dutzende von Abschriften an wahllose herausgesuchte Leute in ganz Deutschland: Man solle einen “antiaristokratischen Gleichheitsbund” gründen und eine deutsche Republik ausrufen. Aus allen Gegenden Deutschlands seien Abgeordnete in ein zentrales Parlament zu wählen. Als Tagungsort für das erste Parlament wählt Riedel - Nürnberg.

Ist das eine Utopie, über die wir lächeln sollten? Wenn wir bedenken, wie lange es brauchte, bis bei uns eine Demokratie funktionierte, dann hat dieser utopische Anlauf unsere Hochachtung verdient.

Revolutionsaufruf von Jakob Rothhaub


JAKOB ROTHHAUB

Der Freiheitswind bläst gewaltig durch Europa. Im Oktober 1792 kapituliert das erzbischöfliche Mainz. Die Stadt samt dem Land bis hinauf nach Worms und Speyer bekommt als erstes deutsches Territorium die Chance, demokratische Zustände zu schaffen. Aber wie noch öfters bei uns: Die Freiheit kommt als Geschenk ausländischen Militärs. Deshalb wird die erste deutsche Republik bis in unsere Zeit hinein als Werk von Landesverrätern und Besatzungsknechten verschrien.

In Süddeutschland gilt General Custine als Hoffnungsträger. Wäre er mit seiner Armee weit in den militärisch entblößten deutschen Süden gezogen, er hätte überall Sympathien angetroffen, aber keine umsturz- und regierungsfähigen Demokraten.

Alle tappen im Dunkeln, vorsichtig. Das ist die Nachtseite des Undergrounds: Schimpfen, Spotten, Lästern, Drohen – das geht leichter. Das mühselige Geschäft, die Kommunen und das Land zu regieren, besser zu regieren, das muss erst noch gelernt werden.

Dennoch verdient der nächste literarische Rebell unsere Anerkennung, der in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1792 das 4. Stück der Nürnberger Untergrundliteratur anheftet: am Malzhäuschen auf dem Steig, wo heute Kornmarkt und Jakobstraße zusammenstoßen.

Das Blatt ist mit einem Namen unterschrieben, der den Ratsherren eine Gänsehaut über den Rücken jagt: Jakob Rothhaub. Das Pseudonym signalisiert das Programm der deutschen Jakobiner: Wir wollen es machen wie die Franzosen.

“Auf, ihr Mitbürger, greifet zu Waffen! Erringet eure Freiheit!

Nun ist der Zeitpunkt vorhanden, wo ihr eure Rechte erkämpfen könnt. Ist dieser entwischt, dann auf ewig gute Nacht, du Freiheit.

Gleichheit ist das erste Gesetz, welches die Natur schon einführte.

Die Neufranken werden euch unterstützen, Bayern wird euch nicht stören und die andern Nachbarn können jetzt nichts tun.

Zerstöret den Adel und verbannet diese Blutigel aus eurer Stadt! Sie haben alles an sich gerissen, verprasset und mit dem Rest Güter gekauft.

Nehmet ihnen die Güter und was ihr bekommen könnt! Akkordiert [einen Vergleich schließen] mit den Schuldnern und bezahlt die Schulden, soweit es langt.”
(Haasis, Spuren II 603)

Bis hierher sieht es nur nach einem Sturz des Adels aus. Was soll danach kommen? Jakob Rothhaub skizziert das neue Nürnberg:

“Besetzet die Ämter mit Bürgerlichen! Macht einen neuen Rat: 1/3 Gelehrte, 1/3 Kaufleute, 1/3 ehrbare Handwerker! So geht alles gut: denn in andern Städten ist auch kein Adel und sie sind glücklicher als wir.” (S. 603)

Wie soll diese Aktion ablaufen?
“Kommt zusammen und fasset geheime Anschläge! Lasst jeden schwören, der von euren Geheimnissen wissen will, und brechet bald los! Gleich werden euch alle Bürger zufallen.” (604)

Hier führen noch Unerfahrenheit, Naivität und grenzenloses Vertrauen in die Bürgerschaft die Feder. Der Rat wird tatsächlich für das beratende Kollegium der Genannten eine ähnliche Drittelparität einführen, um Luft aus dem Protest zu lassen.

Jakob Rothhaub ist sich bei vielen Fragen noch nicht im Klaren, auch er bewegt sich isloliert. Er hofft, die Opposition mache von alleine das Richtige. Als nach einer Woche noch nichts geschehen ist, schreibt er seinen Aufruf mehrmals ab und heftet ihn nachts woanders an.

Dabei nimmt er interessante Veränderungen am Text vor. Beim Abschreiben denkt er weiter nach. Wir blicken damit in seine Schreibwerkstatt hinein und damit zugleich in seine innersten geistigen Vorgänge. Während die erste Fassung von einem kleinen Kreis von Verschworenen ausgeht, arbeiten die späteren fünf Fassungen sich mehr an das Volk heran, das Subjekt der kommenden Nürnberger Umwälzung. Erst beim Schreiben gewinnt Jakob Rothhaus mehr Klarheit.

Der Rat fasst einen Beschluss und lässt ihn plakatieren. Der Aufruf sei “ein schweres Verbrechen”. Der Ratskonsulent schreit sogar: “Hochverrat”. Anstatt nach den Ursachen der allgemeinen Unzufriedenheit zu forschen, hetzt der Rat die Bevölkerung auf, bei der Entdeckung des Schreibers mitzuwirken, alle Verdächtigen seien zu melden. - Jakob Rothhaub lässt sich nicht enttarnen.

Um sich selbst Mut einzureden, erklärt der Rat gleichzeitig alle Bürger für wohlgesonnen. Er weiß genau, dass er eine faustdicke Lüge erzählt. Drei Wochen zuvor hatte er nach einer geheimen Überprüfung aller Zünfte das vernichtende Ergebnis bekommen, die Stimmung richte sich stark gegen den Rat. Einzelne Zünfte gelten als Rebellen, darunter die Drechsler, Hafner, Hufschmiede, Schneider, Schlosser, Schmiede, Schuhmacher und Scheibenzieher. (Ernstberger S. 427/428)

Aus dem zuletzt genannten Gewerbe, den Scheibenziehern, wird der weitsichtigste Rebell hervorgehen, der Philosoph und Arzt Johann Benjamin Erhard.

Die Beschwerden der krisengeschüttelten Handwerker klingen überhaupt nicht verstaubt: Bisher habe man die Konkurrenz draußen gehalten, jetzt werde sie zugelassen und reiße den Markt an sich (vgl. Ernstberger S. 428). Die Wagner klagen, neuartige Wagen würden von auswärts in die Stadt gebracht und verkauft. Gewerbe, die immer weniger Arbeit finden, denken daran, sich bald selbst zu helfen. Aber wie?

Nach den bisherigen fünf (literarischen) Schlägen des Undergrounds erwacht das, was wir heute die wirtschaftsliberale Rechte nennen könnten, das Establishment der Vermögenden. Schleimig angepasst an den Underground, in der Sache aber das knallharte Gegenteil: kein Aufruf, kein Aufschrei der Bedrängten, sondern eine gezielte Irreführung.

Zwei angebliche Handwerker, ein Goldschmied und ein Rotschmied, wollen die Nürnberger Zunftmeister mit einem Brief beruhigen (Text Ernstberger S. 440-443) . Ein getürktes Unternehmen, dahinter versteckt sich ein saturierter Gefolgsmann der Führungsschicht.

Anstatt die Not der Mehrheit anzupacken, schiebt dieser Sprecher der Besitzenden die Schuld für die Proteststimmung auf den “französischen Schwindelgeist” (S. 441). Der Brief täuscht Sorge vor: Möglicherweise würden die Handwerker selber von den Rebellen ermordet werden. Wenn jeder Gleichheit wolle, werde sich keiner mehr unterordnen. Die Folge sei Chaos. - Ein schon flott daherkommendes Argumentationsmodell gegen die Demokratie, noch bevor sie überhaupt existierte.

Archivdeckblatt, die Nürnberger sammeln die Underground-Blätter.


STREIKBEWEGUNGEN

Raue Zeiten in Nürnberg. Die Not wird drückender, die Ausreden für die patrizische Führungsschicht dünner. Die Gedrückten müssen sich selbst helfen. Die erste Idee in diese Richtung kommt in der Nürnbergischen Stadt Hersbruck ans Tageslicht, im März 1793. Ein Gedicht (Haasis, Gebt der Freiheit Flügel 1. Bd., S. 267-268, Ernstberger S. 444-446) bringt die erste praktische Idee vor: “Teilt’s Mehl den Armen aus!” (Haasis S. 268)

Die ersten, die auf die Straße gehen und ihre Macht als Volk beweisen, sind die Schlosser, Schneider und Schreiner, als besonders rabiat bekannt. Im Juni 1793 schnappen sie sich starke Prügel und singen durch die Straßen ziehend “Freiheits- und Aufforderungslieder” (Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 62, allgemein S. 60ff, 437f, 465f, 484, 659, 684). Drei Tage beherrschen sie Nürnberg, bis 300 Soldaten der fränkischen Kreistruppen sie vertreiben.

Die Streikenden greifen auf Kampfmethoden der Gesellenbewegung zurück, wie sie ähnlich noch heute bei Warnstreiks angewendet werden. Sie gehen massenweise aufs Rathaus und blockieren den Verkehr. Da helfen auch Verbote nichts.

Sie dürften, so heißt es, öffentliche Plätze nur betreten, wenn sie dort geschäftlich zu tun hätten. Wie will man das kontrollieren? - Scherzbolde maßen sich gleich polizeiliche Aufgaben an. Für den Rat wird es unübersichtlich.

Damals zählt Nürnberg zu den unruhigsten, positiv gesagt: zu den lebendigsten Städten. Keine mausgraue Stadt, kein passives Zahlvolk, keine politische Verdrossenheit. Ein Alptraum für jeden Politiker.

Dieses Selbstbewusstsein ergreift auch Altdorf. Im Juli 1794 lässt der Pfleger einige Einwohner ins Rathaus nach Nürnberg abführen und einlochen, sie seien frech gewesen, hätten ihm unerhörte Beschwerden vorgebracht. Darauf erscheinen 70 Altdorfer auf dem Nürnberger Rathaus und verlangen die sofortige Freilassung ihrer Brüder. Ganz schnell gehen die Türen des Ratsgefängnisses auf.

Die erste Edition zum neu entdeckten deutschen Jakobinismus, 1970
Mit italienischer und portugiesischer Übersetzung.

Im September 1794 folgt ein Kampf der Feuerarbeiter, der Rußigen, mit den privilegierten Bürgern um das Holz im Eichenwald. Die Schwerarbeiter, gefürchtet, wenn sie sich einmal in Bewegung setzen, werden von bewaffneten Bürgern aus dem Wald vertrieben. Die Rußigen kehren mit scharf geladenen Gewehren und Säbeln zurück. Der Kampf zieht sich bis in die Stadt hinein.

Die Symbolhandlungen der Revolutionsfreunde werden entschiedener. Freiheitsfreunde richten auf dem Marktplatz eine Stange mit einer roten Freiheitskappe auf: ein Freiheitsbaum wie in Frankreich.

Am “Schönen Brunnen” hängt eines Morgens ein riesiges Revolutionsgedicht: ein „Psalm, vorzusingen Adel, Schreibern und Genannten, nach der geistreichen Melodie: Ein Vogelfänger bin ich ja“. (Heinrich Scheel, Jakobinische Flugschriften, S. 51-54, mit Abweichungen überliefert S. 55). Ein erlesener Verlagsort der Schöne Brunnen, am Rande des Hauptmarkts.

Der Underground hat gelernt und geht zur Vervielfältigung über. Diese Attacke in 30 Strophen taucht in weiteren Exemplaren durch die ganze Stadt auf. Das Exemplar am “Schönen Brunnen” trägt eine bitterböse Nachschrift, die Vergeltung für die Ausplünderung des Volkes verspricht und Frankreich hochleben lässt.

Die Sympathieerklärung ist kein Geschwafel. Der Underground hat Kontakt aufgenommen zur französischen Rhein- und Moselarmee, zur Zeit ihres Sieges gegen die einkreisenden Truppen der europäischen Feudalstaaten. Der jakobinische Volksrepräsentant Bourbotte schickt aus Trier dem Wohlfahrtsausschuss Übersetzungen der radikalen Zusätze. Nürnberg macht sich bei der Revolutionsregierung bekannt.

Die profranzösische Stimmung in Nürnberg geht einher mit stärkerer Bedrohung der Ratsherren. Die Polizei ist machtlos. Der Autor kennt seine Hauptgegner und greift sie namentlich an. Es äußert sich da ein politisch erfahrener Bürger, der sich im Schlendrian der Stadt auskennt. Immer deutlicher kommt die Einsicht: Die korrupten Verhältnisse in Nürnberg können nur mit Gewalt beseitigt werden.

Sturm auf eine Nürnberger Bäckerei, 1795. Einzigartiges Kunstwerk in der Zeit der deutschen Jakobiner. Danach wurden die Waren wieder etwas billiger.


STURM AUF DIE BÄCKEREIEN

Es braucht nur einen Anlass, dass ein Aufstand ausbricht. Die Bäcker bieten ihn,kurzsichtig wie sie sind. Zu Ostern 1795 weigert sich die ganze Zunft, ihren Kunden die traditonellen Ostereierkuchen zu schenken. Eine erboste Menge zieht daraufhin nachts vor die Bäckereien, schlägt Läden und Fenster mit Beilen ein, durchkämmt die Häuser und streift schimpfend und drohend durch die Stadt. Der Anfang eines Volksaufstands (Scheel, Süddeutsche Jakobiner S. 68).

Danach kommen wegen Preistreibereien auch die Fleischer und Bierbrauer dran. Vom Sturm auf die Bäckereien zeugt ein Nürnberger Kupferstich. Ein einmaliges Kunstwerk jener Zeit.

Die Bäckereien geben nach und verschenken die Kuchen, wie bisher. Die Bierbrauer gehen beim Bier um 2 Pfennige herunter. Die Protestierenden setzen die Selbsthilfe fort. Angesichts der unerschwinglich gewordenen Waren führen sie wagenweise und ohne Entrichtung des Zolls Getränke und Lebensmittel in die Stadt ein.

Der Magistrat mobilisiert sieben Bürgerkompanien, eine davon zu Pferd, die wochenlang durch die Stadt patrouillieren (Scheel, Süddeutsche Jak, S. 69). - Die Bürger laufen zur korrupten Führungsschicht über, zu einer Lösung der Probleme sind sie nicht willens, auch nicht fähig.

Die anhaltende Not lässt die ärmeren Schichten nicht einschlafen. Im April 1796 treten die Schuhmachergesellen in den Streik, der Rat locht die Anführer ein. Darauf greifen die Gesellen zum Mittel des Solidaritätsstreiks, sie beherrschen die Straßen. Es folgen die Zimmergesellen. In diesem Jahr reißen die Sozialbewegungen auf der Straße nicht mehr ab.

Die Rußigen lernen schnell. Im Juni 1796 fallen sie mit neuer Selbsthilfe auf dem Markt über Bauern her, die Butter zu sündhaft überhöhten Preisen anbieten. Sie nehmen ihnen die Waren weg und verkaufen die Butter zum halben Preis.

Eine Woche danach geht es den Holzlieferanten ähnlich. Die Bauern müssen ihr Holz um ein Drittel verbilligen. Einer der besten deutschen Jakobiner, Rebmann, ehrte in seiner Zeitschrift die Nürnberger Rußigen: Sie seien “echte deutsche Sansculotten, rau und gutmütig” (Scheel S. 70).


DER GRÖSSTE NÜRNBERGER JAKOBINER

In dieser aufgeregten Zeit erscheint die gründlichste, intelligenteste revolutionäre Flugschrift: “Wiederholter Aufruf an die deutsche Nation”. Der erste Druck. Vielleicht im Schutz der Preußen im Territorium Ansbach-Bayreuth? Der Autor bleibt ungenannt. Ich meine, es sei der Nürnberger Handwerkersohn, Philosoph und Arzt Johann Benjamin Erhard gewesen.

Väterlicherseits stammte er von Drahtziehern ab, mütterlichseits von den gefürchteten Rußigen. Kein Wunder, dass er in der Lateinschule mit einem Pfarrer zusammenrasselte und mit elf Jahren die Schule verlassen musste. So wurde er Drahtzieher und Graveuer in der väterlichen Werkstatt.

Ein heller Kopf, in seiner Freizeit lernt er Französisch und Englisch, mit 20 Jahren liest er Kants äußerst schwierige “Kritik der reinen Vernunft”. Ein außergewöhnlicher Mensch, der in dieser Stadt unter diesen Verhältnissen keine Chance hat. Zudem kann die väterliche Werkstatt niemand mehr ernähren, die Drahtzieher waren zu einem der ärmsten Gewerbe heruntergesunken. Also verlegt sich der junge Erhard auf die Medizin.

Nebenher geht er einer zentralen Frage dieser Generation nach, unter welchen Umständen ein Volk das Recht auf eine Revolution habe. Eine europäische Frage. Erhard ist der erste Nürnberger, der in seinem Aufruf die ganze deutsche Nation anspricht. Eine Utopie, gewiss, aber gerade deshalb interessiert er noch heute. 1970 brachte ich sein Hauptwerk neu heraus. Es traf noch immer so genau den Nerv der Zeit, dass Übersetzungen in Italien, Portugal und der französischen Schweiz folgten.

Als junger Arzt nimmt Erhard Kontakt auf mit den Größen der deutschen Philosophie und der klassischen Literatur. Von Anfang an hält er bei seinen Sympathien für die Französische Revolution zu den Radikalen – wie viele Nürnberger. Gerne ließ er sich den “Marat von Nürnberg” nennen.

Auf einer Reise in der Postkutsche geht er mit seiner Radikalität und Beharrlichkeit dem bedächtigeren, fürstentreuen Schiller schwer auf die Nerven. In Stuttgart lernt er zufällig den Anführer der Wiener Jakobiner kennen, Andreas Riedel, von dem wir schon hörten. Erhard will ihn bald in Wien besuchen und mit ihm planen, wie sie in ganz Deutschland die isolierten revolutionären Zirkel des Undergrounds miteinander in Verbindung bringen könnten.

1794 beginnt Erhard in Nürnberg an seinem Hauptwerk zu schreiben. Nebenher verfasst er den “Wiederholten Aufruf an die deutsche Nation” (Erhard: Über das Recht, 1970, S. 101-107). Darin agitiert er gegen die Kriegszug nach Frankreich. Einer seiner ersten Sätze könnte als klassische Empfehlung auf eine Tafel gemeißelt und in Nürnberg aufgestellt werden:

“Schon so viele Tausende eurer blühendsten Jünglinge wurden eine Beute des Kriegs – blieben als unschuldige Opfer auf dem Schlachtfelde, und ihr wollet wieder 120.000 Jünglinge töten lassen?” (S. 101)

Vielleicht der Anfang zu einem künstlerischen Friedenspfad durch die Ortsgeschichte auf Nürnberger Plätzen und Straßen?

Der Schluss mitreißend, wie in einem expressionistischen Drama: “Noch einmal, ihr Tyrannen! Macht Friede! – oder das Volk steht auf und macht Friede!!!” (S. 107)

Das Schreiben eines Buches ist für diesen Philosophen nicht genug, hier gibt er sich sehr undeutsch: Er will die Verhältnisse umstürzen, eine Demokratie beginnen. Eine Chance dazu bietet sich ihm im Kriegsjahr 1796, als die franzsösischen Truppen erstmals in den Süden vordringen. Erhard wird von einem der Armee vorausgehenden französischen Geheimagenten angeworben, um dem Außenministerium nach Paris Geheimberichte über Nürnberg zu schicken.

Diese Tätigkeit verschwieg Erhard bis aufs Sterbebett. Erst in meinem Buch kamen diese Berichte ans Tageslicht, sie schlummerten in Paris im Archiv des Außenministerium. Erhard hatte man in seiner Vaterstadt vergessen. Er war nach Berlin gegangen und hatte sich als Arzt durchgebracht.

Bei der damaligen Schicksalsfrage der Nürnberger, welchem Großstaat sie sich in die Arme werfen sollten, Bayern oder Preußen, hielt er sich zur Mehrzahl der Großbürger, die lieber zu Preußen wollten. Ihn selbst zog es nach Berlin, nicht nach München. Von der französischen Politik war er bald enttäuscht. Er lehnte Napoleon radikal ab.

Es wäre ein schönes Projekt, diese Persönlichkeit den Nürnbergern zurückzugeben. In seinen Geheimberichten nach Paris findet sich eine Perle seines politischen Durchblicks:
“Der Charakter der Deutschen ist im Durchschnitt phlegmatisch und hartnäckig.Sie können das Gute jahrelang einsehen, ohne es ins Werk zu setzen.”
(Erhard S. 167)

 

GEHEIMAGENT AUS PARIS

Der Nürnberger Underground mischte im politischen Alltag mehr mit, als Ratsprotokolle wissen. Davon erzählt die rätselhafteste Gestalt der Zeit: der französische Geheimagent Valentin Probst aus dem Elsaß (Haasis: Gebt der Freiheit Flügel, 1. Bd., S. 738-762) 1794 und 1795 befand er sich zeitweise in Nürnberg. Im Auftrag des Wohlfahrtsausschusses sollte er die französische Friedenspolitik unterstützen. Probst verkehrte als inoffizieller, also nicht anerkannter Diplomat am fränkischen Kreistag.

Massive politische wie finanzielle Unterstützung findet er beim führenden Kopf des Nürnberger Großbürgertums, dem Chef des größten Handelshauses: Justus Christian Kießling. Der Großkaufmann ist Jakobiner und steht dazu, nur Robespierres Kopfabschlagen ist ihm zuwider. Gleichzeitig besitzt Kießling einen guten Draht zum Rat, bei dem er die Duldung des Geheimagenten einer feindlichen Nation erreicht. Dazu gehört Mut.

Der Elsässer treibt freilich keine Handelsgeschäfte, sondern besorgt wirtschaftliche wie politische Informationen: die klassische Aufgabe eines Nachrichtendienstes. Aus Unruhen und Aufständen hat er sich herauszuhalten.

Probst wird in Nürnberg bald gewarnt, der österreichische Geheimdienst sei ihm auf der Spur. So reist er zurück nach Basel, wo die Franzosen ihre auswärtige Geheimdienstzentrale für Europa unterhalten. 1795 kehrt er nach Nürnberg zurück, nach drei Monaten verhaftet ihn das österreichische Militär. Probst wird nach Wien verschleppt und in einem Geheimgefängnis verhört.

Als Vertreter der siegreichen Republik packt er aus und beweist den österreichischen Geheimpolizisten, wie stark der Nürnberger Underground demokratisch und profranzösisch ausgerichtet sei, ohne dass ein Franzose nachzuhelfen brauche. Das umfangreiche Verhörprotokoll, vollständig nur in Wien erhalten, ist die interessanteste Quelle zum Nürnberger Underground jener Jahre. So etwas gibt es für keine andere deutsche Stadt.

Probst wird gefragt, was er in Nürnberg getan habe. Um abzulenken, erzählt er von der politischen Stimmung:
“Ich fand, dass besonders zu Nürnberg Dreiviertel der Bewohner für die französische Revolution geneigt und dass man überhaupt zum Frieden gestimmt ist. Auch hierüber habe ich in meinen Berichten nach Paris geschrieben.”
(S. 745; hier und künftig redigiert, der Verständlichkeit, Lesbarkeit und Lebendigkeit zuliebe zu eine Szene erweitert)

Der Österreicher fällt auf die Provokation herein: “Woher wolln’s denn die Stimmung des Publikums ables’n?”

“Hierzu hat man keine besonderen Bekanntschaften oder einen feinen Beobachtungsgeist nötig. Hievon kann man sich leicht überzeugen, wenn man sich nur in öffentlichen Orten und Zusammenkünften einfindet.”

“Werden’s a bissel genauer, bittschen.”

“In einem Bierhause eine halbe Viertelstunde vor der Stadt, in einem Dorfe, dem Deutschen Orden gehörig, wenn man zur Vorstadt beim weißen Turm links hinausgeht, kommt zu ebener Erde in einem Zimmer eine geschlossene Gesellschaft zusammen, wo ich auch zufälligerweise hingekommen bin. Hier war ich wirkilch erstaunt über die freien revolutionären Reden, die da vorfielen. Ich erstaunte mich umso mehr, als es lauter distinguierte Leute sind, nämlich Kaufleute, Doktoren, Advokaten und Zivilbeamte, wie man mir sagte.”
(S. 747) Auf einer Abschrift in einem Nürnberger Archiv findet sich der gemeinte Ortsname: Steinbühl.

Probst will den Österreicher noch mehr ärgern:
“Am meisten zeichnete sich durch seinen Sansculottisme ein gewisser Färber aus, der, ob er gleich zu dieser geschlossenen Gesellschaft nicht gehörte, dennoch wegen seiner zügellosen Reden hineingerufen wurde, indem er sonst in ein anderes Zimmer dieses Wirtshauses zu gehen pflegt.”

Der Österreicher ist so platt, dass er Probst ohne Unterbrechung weiterreden lässt.

Eine weitere politische Gesellschaft lernt der elsässische Franzose in einem Gartenhaus vor der Stadt kennen, junge Leute haben dort Haus und Garten gemietet und halten hier politische Versammlungen ab, die einem geheimen Jakobinerklub nahekommen.

Probst:: “Man legte in dieser Gesellschaft auf die auffallendste Art seine demokratischen Grundsätze an den Tag und einer suchte es dem andern darin zuvorzutun. Man sang darin alle revolutionären Lieder in deutscher und französischer Sprache und las alle revolutionären Broschüren, deren man habhaft werden konnte. Sie treiben die Vermessenheit so weit, dass, wenn sie nachts aus diesem Hause zurückkehrten, welches jedesmal sehr spät geschah, sie ebendiese revolutionären Lieder, besonders das Ça ira, die Marseillaise und die Carmagnole laut auf den Straßen sangen und machten hiebei ein solch außerordentliches Getöse, dass dadurch die öffentliche Ruhe gestört wurde und das Betragen dieser jungen Leute der Polizei unmöglich unbekannt sein musste.” (S. 748)

Nürnberg ist durchzogen mit diskussionsfreudigen Klubs und Wirtschaften, der Underground trägt die Jakobinermütze. Bei Kießling sind in der Wohnung Symbole der Revolution zu sehen. Im Salon steht eine kleine Nachbildung des Freiheitsbaumes aus Holz, oben drauf eine Freiheitskappe. Das Stäbchen, den Baum darstellend, ist in den Farben der Trikolore wie mit einem Band bemalt. Daneben hängt ein Porträt von Robespierre. – Nach der Meinung der meisten deutschen Historiker darf es so etwas gar nicht gegeben haben.

Kießling streckt der Pariser Revolutionsregierung die Kosten für die Geheimkorrespondenz der französischen Geheimagenten durch ganz Mitteleuropa . Für den sicheren Transport stellt er ihnen seine Geschäftsverbindungen zur Verfügung, wichtig für die Umgehung der polizeilichen Postüberwachung. In Österreich wäre er dafür auf eine furchtbare Festung eingefahren, in Nürnberg geschieht ihm nichts.

Die Krönung von Kießlings Tätigkeit: Der größte Nürnberger Wirtschaftsmann organisiert und finanziert in der Stadt eine geheime Revolutionsdruckerei, den Drucker Six hat er nie verraten. So gehen wichtigste Drucke des deutschen Jakobinismus und deutsche Nachdrucke von Reden Robespierres von einer Nürnberger Werkstatt aus.

Übersetzer aus dem Französischen ist Pfarrer Roth. Überhaupt fällt Probst auf, dass die evangelische Geistlichkeit Nürnbergs stark zur Revolution hält. Prof. Maier, einer der radikalsten Jakobiner der Stadt, offenbart sich ihm als ein geheimer Korrespondent für die Pariser Regierungszeitung “Moniteur”, mit detaillierten Artikeln über Unruhen in und um Nürnberg und Würzburg.

Der Underground wird von den Franzosen enttäuscht, die nichts für die Erichtung einer Republik tun. Aber er bleibt seiner Linie treu, wenn es um die eigenen Interessen geht. Als die fränkischen Kreistruppen gegen die Franzosen marschieren sollen, laufen fast alle 244 Nürnberger Soldaten davon, nur 4 bleiben. (Scheel, Süddeutsche Jakobiner, S. 438) Eine gewaltige Friedensbewegung. Wäre die nicht der Rede wert auf dem oben genannten Nürnberger Friedenspfad durch die Stadtgeschichte? Wenn man die braunen Schatten der Parteitagszeiten losbekommen will, muss man halt etwas tun.

Die Preußen behalten den Eindruck: Wenn je eine deutsche Revolution ausbreche, dann in Nürnberg, dort werde auch die deutsche Hauptstadt sein. (Scheel S. 437-438, 465)

Als die Preußen 1799 immer frecher nach Nürnberg hineingreifen, bekommen auch sie Widerstand zu spüren. Vor dem Wörther Tor verlangt im März 1799 ein preußischer Beamter Zoll von einem Rotschmiedejungen, der eine Karre Sand in die Stadt fahren will. Darauf rottet sich eine rabiate Menge zusammen und zerstört das Zollhaus.

Haufenweise stürmen Leute in die Kirchen und läuten die Glocken. Es ist 22 Uhr, also stockdunkel. Massen eilen zu allen Stadttoren hinaus und jagen die preußischen Soldaten fort. Ständig hört man auf den Straßen die Rufe: „Bürger heraus! Rebellion!“ - Eine Parole, die in unserer Zeit voller Werbesprüche, Starkult und Shopping kaum mehr verstanden würde. - Der preußische Minister Hardenberg, regierend in Ansbach-Bayreuth, muss den Beamten suspendieren und den alten Tarif wiederherstellen. (Scheel S. 484)

Ein erster Sieg des Volkes.
Ein zweiter, im jetzt preußischen Nürnberger Umland, sieht schon nach dem Anfang einer Bauernrepublik aus. Im März 1799 sollen auf dem Land die jungen Leute zum Militär ausgehoben werden. Mit Rundschreiben von Ort zu Ort organisiert sich die erste Nürnberger Kriegsdienstverweigerung. 200-300 Vertreter der Gemeinden treffen in der Stadt zusammen, im “Goldenen Schwan” (heute Königstr. 18, neben St. Leonhard). Hier funktioniert noch etwas, was allen Herrschaften ein Schreckgespenst ist: die entschieden kriegsunwillige Gemeindedemokratie.

Ein preußischer Beamter nennt die Versammlung einen Bauernkonvent, ein Bauernparlament. Man beschließt, den preußischen König um die Aufhebung der Wehrpflicht zu bitten, ansonsten würden sie sich gemeinsam der Aushebung widersetzen (Scheel S. 484).

 

PALM ODER DIE VERLETZUNG UNGESCHRIEBENER REGELN

Ein letztes Kapitel des Nürnberger Undergrounds, als Trauerstück berühmt und gepflegt. Der Buchhändler Johann Philipp Palm, ein Schwabe aus Schorndorf, verlegt 1806 eine Anklage gegen die französische Armee: "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung”.

Der wirkliche Autor wurde bis heute nicht ermittelt. Vergessen hat man bei der Schrift zwei verräterische Zeilen unten auf dem Deckblatt. “Aufgeschnittene oder beschmutzte Exemplarien werden nicht zurückgenommen.”

Hier dominiert ein Händlergeist, kein politischer Kopf. Palm wählt leichtsinnig den Buchvertrieb und schickt Exemplare an eine Buchhandlung nach Augsburg. Dort bekommen französische Offiziere die Schrift in die Finger und setzen den Geheimdienst ihrer Armee darauf an.

Dabei ist diese Schrift das Risiko gar nicht wert, Palm geht es nur um den Umsatz, die Zeiten sind schlecht für den Buchhandel.

Die Schrift stemmt sich gegen die Auflösung des Deutschen Reiches, wie wenn da etwas zu retten wäre. Die Gründung des Rheinbundes emmpfindet sie als nationalen Verrat. Mit der demokratischen Tendenz des Undergrounds hat diese Publikation nichts zu tun. Freiheitliche Ansätze der Französischen Revolution lehnt der Autor grundsätzlich ab. Mit bösem Grund wurde diese Schrift zur Magna Charta des deutschen Nationalismus, für die Entwicklung zur Demokratie ein schweres Hindernis.

Der geheime Verleger Palm verletzt ständig die lebenswichtigen Regeln des Undergrounds. Seinen Vorrat unverkaufter Exemplare versteckt er im eigenen Haus, im Gewölbe hinter den Balken. Wenigstens sein Drucker in Altdorf ist klüger: Als er von den Gefahren hört, versenkt er die soeben gedruckte 2. Auflage in einem Brunnen. Er kommt mit dem Leben davon.

Palm erhält rechtzeitig eine Warnung seiner Frau: Vier schwarz gekleidete Herren hätten nach der Schrift gefragt und eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Palm flüchtet nach Erlangen, zu den Preußen. Der Schrecken sitzt bei ihm nicht tief, nach wenigen Tagen kommt er nach Nürnberg und sogar in seine Buchhandlung zurück.

Ein arm gekleideter Junge lässt sich als Lockvogel kaufen: Er bittet in der Buchhandlung um eine Unterstützung für eine Soldatenwitwe. Palm kommt aus seinem Versteck, vor dem Haus warten schon zwei Gensdarmen, die ihn abführen.

Nach standrechtlichem Urteil wird er in Braunau erschossen: Märtyrer für die antidemokratische Rechte in Deutschland, bis zu Adolf Hitler hoch geehrt. Das Todesurteil wird zweisprachig in 6.000 Exemplaren in den Rheinbundstaaten angeschlagen, an Rathaus- und Kirchentüren. Eine blutige Parodie auf den Underground.

Und während wir hier, im September des Jahres 2006, durch den Nürnberger Underground streifen, findet in Braunau am Inn ein unseliger Kongress statt, auf dem man wieder einmal dem sträflich leichtsinnigen Geheimverleger Palm eine unverdiente Märtyrerkrone aufsetzt.

 

DER ANDERE GRUSS

Der Underground sorgte in Nürnberg für freie Luft, Freude, Lachen, leistete geistreichen Widerstand und überlebte mit List. Und wenn in Nürnberg die pfiffigen Selbstdenker nicht aussterben, wird er weiterleben. Da bin ich sicher, auch wenn das Ratsprotokoll davon nichts weiß.

Ich verabschiede mich mit einer klugen, in depressiven Zeiten aufmunternden Persönlichkeit aus dem Landstrich zwischen Nürnberg und Würzburg: ein Nachkomme einer Demokratenfamilie aus Pfalz-Zweibrücken, einem linksrheinischen Wittelsbacher Territorium. Dort wandelte sich einst ein Regierungsrat namens Montgelas in der Großen Revolutionszeit vom fürstentreuen Regierungsmitglied zu einem der ersten bayerischen Demokraten. Die Verfassung Bayerns von 1818 ist wesentlich sein Werk gewesen. Glücklich war dieser Montgelas nie, wie München mit seiner Verfassung umsprang.

Eines Tages sollte auch sein Urenkel „deutsch“ grüßen, den rechten Arm oben. Er wusste sich zu helfen, mit einem Trick des damaligen Undergrounds. Er trug von nun an nur noch Hut. Wenn er grüßen musste, lüftete er mit der Rechten den Hut und murmelte undeutlich: “..ei ..ltr” Wer ihm zuverlässig vorkam, dem sagte er langsamer und deutlicher: “Drei Liter”.

Damals ein durchaus möglicher Gruß, wenn man Nerven und Rückgrat hatte. Bezeugt hat mir das der Jazztrompeter Mangelsdorff, nicht lange vor seinem Tod. Eines Tages habe er seinem Vater geklagt, er müsse im Milchladen jetzt mit dem HItlergruß eintreten. Sein Vater riet ihm: Wenn Du in den Laden kommst, halt einfach die Milchkanne hoch und schrei “Drei Liter”.
Mangelsdorff kam in Frankfurt damit durch, jahrelang.

Übereifrige Mitläufer rochen bei Montgelas, dem Urenkel des Schöpfers der bayerischen Demokratie, eine Chance, Deutschland vor Spott und Heiterkeit zu retten. Auch Montgelas bekamen sie nur mit einem Lockvogel. Eine Frau verkaufte sich der Gestapo, erklärte sich bei Montgelas als Hitler-Gegnerin und horchte ihn aus. Der korrekte Herr mit dem undeutlichen Gruß wurde kurz vor Kriegsende hingerichtet.

Die Verräterin war hell empört und fluchte Stein und Bein, als sie nach dem Krieg wegen Denunziation mit Todesfolge zu ein bisschen Gefängnis verurteilt wurde, bei warmem Zimmer und freier Kost.

Scheel, Heinrich (Hg.): Jakobinische Flugschriften, Berlin/DDR 1965.
Ders.: Süddeutsche Jakobiner. Klassenkämpfe und republikanische Bestrebungen im deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin/DDR 1962.
Haasis, Hellmut G.: Spuren der Besiegten.
Band 1: Freiheitsbewegungen von den Germanenkämpfen bis zu den Bauernaufständen im Dreißigjährigen Krieg.
Band 2: Von den Erhebungen gegen den Absolutismus bis zu den republikanischen Freischärlern 1848/49.
Band 3: Freiheitsbewegungen vom demokratischen Untergrund nach 1848 bis zu den Atomkraftgegnern. Reinbek 1984.
Ders.: Gebt der Freiheit Flügel. Die Zeit der deutschen Jakobiner. 2 Bände, Reinbek 1988.
Ernstberger, Anton: Nürnberg im Widerschein der Französischen Revolutionn 1789-1796, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Bd. 21, Heft 3. München 1958, S. 409-471.

Der Nürnberger Buchhändler Mann publiziert 1802 ein Taschenbuch. Auf dem Frontispiz wirft ein Engel mit einer Laterna Magica die Porträts der einst führenden Jakobiner von 1793 an die Wand. Das letzte starke Bekenntnis des Nürnberger Undergrounds zur alten Freiheitsbewegung.


Meine weiteren Arbeiten zum Thema Underground in der Freiheitsgeschichte:

Deutschsprachige Untergrundliteratur zur Zeit der Französischen Revolution. Zensurfreie Kommuniikation einer demokratisch-revolutionären Subkultur: vom Anschlagzettel zur robespierristischen Untergrunddruckerei, in: Der Zensur zum Trotz. Das gefesselte Wort und die Freiheit in Europa (Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Nr. 64), Weinheim 1991, S. 89-103.
In Nürnbergs revolutionärem Untergrund. Aus dem zweihundertjährigen Verhörprotokoll des französischen Geheimagenten Valentin Probst (Bayerischer Rundfunk 15. 7. 1990, 30 Min.) (1 Exemplar in der Württ. Landesbibliothek Stuttgart)
Rebellische Volksliteratur, in: Hannes Heer/Volker Ullrich (Hg.): Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung, Reinbek, Rowohlt, 1985, S. 281-286.
Bibliographie zur deutschen linksrheinischen Revolutionsbewegung 1792/93. Die Schriften der demokratischen Revolutionsbewegung im Gebiet zwischen Mainz, Worms, Speyer, Landau, Sarre-Union, Saarbrücken und Bad Kreuznach. Kronberg/ Taunus, Scriptor, 1976. (Der Teil mit den jakobinischen Quellenschriften erschien erneut unter demselben Titel, aber mit einem anderen Untertitel:) Ein Nachweis der zeitgenössischen Schriften mit den heutigen Standorten. (Deutsche Jakobiner. Mainzer Republik und Cisrhenanen 1792-1798. Ausstellung des Bundesarchivs und der Stadt Mainz im Foyer des Mainzer Rathauses. Band 2), Mainz 1981, 2. Aufl. 1982.
Volksfest, sozialer Protest und Verschwörung. 150 Jahre Hambacher Fest. Heidelberg 1981.
Morgenröte der Republik. Die linksrheinischen deutschen Demokraten 1789-1849. Frankfurt/Berlin/Wien 1984.
"Den Hitler jag' ich in die Luft". Der Attentäter Georg Elser. Eine Biographie. Berlin 1999. 2. Aufl. November 1999 (271 S.). 3. Aufl. 2001
Tod in Prag. Das Attentat auf Reinhard Heydrich. Reinbek, Rowohlt, 2002 (tschechische Übersetzung 2004; chinesische 2004).
vom aufmüpfigen geist der schwaben. literarische performance. uraufführung am 19. juli 2002 in der druckerei honold in langenau. ulm 2002.
17. Juni 1953 Arbeiteraufstand. Die Trompete von Speyer. Edelweißpiraten. Drei Erzählungen aus verschütteten Strömungen des Arbeiterwiderstandes. Osnabrück o.J. (um 1983) 2. Aufl., o.O.u.J. (um 1991).
Mit List und Tücke. Wie kleine Unruhestifter große Herrschaften an der Nase herumführten. Reinbek 1985.
Krivitsky, Walter G.: Ich war Stalins Agent. Mit zeitgenössischen Dokumenten und einem Nachwort neu herausgegeben von Hellmut G. Haasis. Illustriert von Uli Trostowitsch. (mein Nachwort: Walter G. Krivitsky. Chef des Sowjetischen Militärischen Nachrichtendienstes in Europa - ein fast vergessener Gegner Stalins, S. 297-327) Grafenau-Döffingen 1990.
Clauer, Carl Gottlieb Daniel: Allgemeiner Aufstand oder vertrauliches Sendschreiben an die benachbarten Völker, um sie zu einer heiligen und heilsamen Empörung aufzumuntern. Straßburg 1791. (Blauwolkengasse. Die verschüttete Freiheitsbibliothek. Ausgegraben von Hellmut G. Haasis. Band 1). Paris usw. 1992.
Cotta, Christoph Friedrich: Rede für das Fest des Frankenvolks und zum Andenken der Räumung seines Gebiets. Straßburg am dritten Dekadi des Vendemiaire im dritten Jahr der siegenden Republik <21. Oktober 1794>.. Mit einer biographischen Skizze zu Cotta von Hellmut G. Haasis. (Blauwolkengasse. Band 2) Paris usw. 1992.
Zimmermann, Franz Anton: Rede über die gegenwärtige [!] Gefahre des Vaterlandes gehalten am 7. des Aprils im Saale der Freunde der Freiheit und Gleichheit zu Straßburg im Namen seiner mit ihm durch die österreichischen und preußischen Horden aus den neuerrungenen deutschen Freiheitslanden vertriebenen Mitbürger. Straßburg 1793. Mit einer biographischen Skizze zu Zimmermann von Hellmut G. Haasis. (Blauwolkengasse. Band 3) Paris usw. 1992.
Schaber, Karl Wilhelm Friedrich: Rede im Klub zu Bergzabern. O. O. u. J. (Ende 1792 oder Anfang 1793). Mit einer biographischen Skizze zu Schaber von Hellmut G. Haasis. (Blauwolkengasse. Band 4). Paris usw., 1992.
Schächter, Salomon: Relation von dem Tod des Joseph Süß seel. Gedächtnus. Fürth/Stuttgart 1738. Einst verlegt von Mardochai Schloß alias Marx Nathan. Mit hebräischen Lettern gedruckt von Chajim ben Zvi Hirsch in Fürth. Nach dem Verlust des Originaldrucks in einer alten Übersetzung aus dem Jiddischen unverändert hg. von Hellmut G. Haasis. Mit einem Anhang: Das jüdische Sündenbekenntnis von Joseph Süß Oppenheimer am Tag vor seiner Hinrichtung (Verödete Weinberge. Erbe mit Brandmal. Judaica unterm Freiheitsbaum, Bd. 1). Mit einer Originalradierung von Angela Laich, einem Judenstern der Nazizeit und einer erklärenden Beilage. Bibliophile Ausgabe, 100 Mappen, DIN A 4, signiert und nummeriert, 15 Blätter. Standardausgabe (Nr. 31-100). Vorzugsausgabe (Nr. 1-30) zusätzlich mit einer signierten Originalzeichnung von Angela Laich. Paris usw. 1994.
Huber, Stephan: Ein Volck wo Freyheits Liebe brent scheut nicht Thiranen Macht. Das unbekannte Revolutionslied eines rebellischen demokratischen Schuhmachers und religiösen Separatisten in Rottenacker an der schwäbischen Donau (1798). Aus der Handschrift zusammen mit einem Haufen unveröffentlichten Materials über Württembergs radikalpietistische Demokraten zwischen 1800 und 1816 und einem Nachwort hg. von Hellmut G. Haasis. Mit Zeichnungen des sardischen Bildhauers und Wandmalers Pinuccio Sciola (San Sperate/Cagliari). (Blauwolkengasse. Bd. 5) Paris usw. 1994.
Terror in Wien. Die Jakobinerverschwörung 1792/94, in: Neues Forum. Wien, Heft 287, November 1977, S. 48-53.
Haß gegen Knechtschaft. Der oberösterreichische Sozialrebell Kalchgruber (1777-1849), in: Renate Kahle/Heiner Menzner/Gerhard Vinnai (Hg.): Haß. Die Macht eines unerwünschten Gefühls, Reinbek 1985, S. 197-209.
Kurpfalz-Kokarden. Die Bergzaberner Republik von 1792/93, in: Frankfurter Rundschau, 15. 7. 1989, Nr. 161, Beilage: 1789-1989. Zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution, S. 4.
Die Anfänge der Revolution in der Pfalz und die vergessene Republik Bergzabern 1789 bis 1793, in: Dieter Lau/Franz-Josef Heyen (Hg.): Vor-Zeiten. Geschichte in Rheinland-Pfalz, Band 5, Mainz 1989, S. 149-164.
Bauernaufstand endete im Massengrab, in: 3 / Dreiland-Zeitung. Wochenzeitung für die Nordwestschweiz, Südbaden und Haute-Alsace, Basel, 2. Jg., Nr. 40, 1. 1. 1992, S. 8/9.
Deutsche Emigranten im Straßburg der Revolutionszeit. Freiheitsfreunde aus Deutschland dienten im Elsass der Revolution. Erst nahm man sie gut auf, doch 1793 wurden viele als verdächtige Ausländer verhaftet, in: 3 / Dreiland-Zeitung, Basel, 3. Jg., Nr. 17, 29. 4. 1993, S. 8/9.
Die Emigranten von 1793 waren uns weit voraus, in: ebenda S. 9.
Ein Nachruf auf die Mainzer Republik von 1792/93, in: alzeyer geschichts almanach. Bd. 1 1993. Schwerpunktthema: Rheinhessen und die Mainzer Republik 1792/1793, Alzey 1993, S. 26-28.
Verrückte und Störer wegschließen - die Anfänge der Psychiatrie Zwiefalten (1). Nur eine Fußnote im Leben des Filosofen: Christiane Hegel. In: Südwestpresse/Schwäbisches Tagblatt, Tübingen, Nr. 184, 12.8.1997, S.25.
- (2) Spezialgefängnis für den Spion von Mainz: Johann Harter. In: Südwestpresse/Schwäbisches Tagblatt, Tübingen, Nr. 190, 19.8.1997, S.29.
- (3) Heiland und Himmelfahrt auf der Alb: die Brüder Bückle. In: Südwestpresse/Schwäbisches Tagblatt, Tübingen, Nr. 196, 26.8.1997, S.23.
Der rote Bürstenbinder aus Frankenthal. Badisch-pfälzisches Hörspiel. (Süddeutscher Rundfunk 1, 7. 12. 1997, 55 Min.)
Morgenröte der Bergzaberner Republik. Eine vergessener deutscher Freistaat (Süddeutscher Rundfunk, 15.12. 1997, 55 Min.)
"... und der Gefährlichste heißt Krutthofer, mit den Tarnnamen Mauerbrecher und Ballista." Revolutionäre Spione und Geheimagenten im deutschen Süden um 1790/1800 (Süddeutscher Rundfunk 24. 10. 1987, 90 Min.).
Johann Gottfried Pahl. Zum 150. Todestag des württembergischen Prosaschriftstellers, Prälaten und Landtagsabgeordneten (18. April 1839) (Süddeutscher Rundfunk 14. 4. 1989, 30 Min.)
"Pater Simpertus". Eine evangelische Sympathiebekundung für die katholische Aufklärung (Bayerischer Rundfunk 1. 10. 1989, 30 Min.)
"Sehr gefährliche Burschen". Der französische Geheimdienst in Deutschland zur Zeit der Großen Revolution 1789-1805 (Sender Freies Berlin 11. 7. 1989, 60 Min.)
"Ein gewisser Krutthofer". Eine deutsch-französische Spionagegechichte aus der Zeit um 1800 (Westdeutscher Rundfunk 3. Programm, 27. 12. 1990, 60 Min.)
Leonhard Krutthofer. Ein Kurpfälzer als französischer Geheimagent für eine deutsche Revolution (Südwestfunk 22. 3. 1989, 30 Min.).

(Alle Rundfunkmanuskripte existieren in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart)

 

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