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UNDERGROUND 9
FLUGBLÄTTER AUF DER EISENBAHN
Mai 1943 in Saarbrücken angekommen, aus der Schweiz oder gar Italien stammend.
(Berlin, Bundesarchiv, R 58 Bd. 210, Bl. 96)

„Im Bereich der Staatspolizei(leit)stellen Düsseldorf, Karlsruhe, Koblenz, Saarbrücken und des Befehlshabers der Sipo u. d. SD in Metz wurden weitere Fälle der Einführung von illegalen Flugblättern aus der Schweiz bzw. Italien bekannt:

Bei der Saargruben-AG in Saarbrücken wurden in leeren, aus Italien eingelaufenen Kohlenzügen folgende Flugschriften gefunden:
200 bebilderte Exemplare mit der Überschrift: „Adolf, Dir geht’s oij nit besser as mir, das kaiwe Rüssland het mich oij hin g’macht!“
250 Exemplare: „Deutsche Frauen an deutsche Frauen!“
Sie lagen im Waggon Nr. 405 169, zum Teil im Bremserhäuschen, der am 26. 5. 1943 in Saarbrücken einlief.
100 Exemplare: „Der eiserne Ring“, die sich im Waggon 4 410 110, eingelaufen in Saarbrücken am 27. 5. 1943, befanden.
Vom Hauptzollamt Landau/Pfalz wurden in einem über die Schweiz in Herxheim eingetroffenen Güterwagen mit italienischen Zwiebeln zwischen den Körben versteckt 3 Pakete mit zusammen 700 Flugblättern gefunden. Es handelt sich um das unter Ziffer 1c) erwähnte Flugblatt und ein weiteres mit der Überschrift: „Goldene Worte!“ Der Güterwagen war mit einer Zollplombe, einer Plombe der Deutschen Reichsbahn – Basel Hbf. 4 Nr. 276 – und einer Plombe der Schweiz – S.B.B. V/22 – versehen. Sämtliche Plomben waren unbeschädigt.
Mehrere Päckchen der letzten Druckschrift wurden außerdem in aus Italien mit Schwefel bzw. Schwefelkies für die Chemischen Werke in Bad Kreuznach beladenen Zügen gefunden.
In einem für eine Düsseldorfer Firma bestimmten Waggon mit Talkum, der in Pinerolo/Ialien abgegangen und in Basel zolltechnisch behandelt worden war, wurden 125 Druckschriften mit dem Titel „1943 – Sieg der Deutschen Währung“ und 180 Stück der in Ziffer 1a) genannten Druckschriften gefunden.
Beim Eintreffen eines aus Basel kommenden, mit Feinerz beladenen Zuges fanden sich in den Waggons 18 137 und 3 060 – Essen – ein Exemplar „Gründung einer nationalen Friedensbewegung in Deutschland“ und zwei Exemplare der Druckschrift „Bestien in Menschengestalt“.

Diese Flügblätter haben den gleichen Titel und stammen von einer Quelle. Sie gleichen vollauf dem schon früher festgestellten Flugblattmaterial aus der Schweiz. Ihre Verfasser und Verbreiter sind in den Kreisen der deutschen Emigranten in der Schweiz oder der KP Schweiz zu suchen.

Die in Ziffer 1) aufgeführten Druckschriften waren in hellgrauem Packpapier eingewickelt und mit Klebestreifen verschlossen. Für die unter Ziffer 5) erwähnten Druckschriften diente das übliche, schon öfter benutzte Verdunkelungspapier als Verpackung.“

Die Widerstandslinie mit der Eisenbahn scheint nie aufgehört zu haben. Sie komplett zu kennen, wäre spannender als einer der Mager-Krimi von heute.
In R 58 Bd. 213 findet sich im Bericht Nr. 4, 26. Mai 1944 eine weitere Spur:

„Im Bereich der Stapostelle Braunschweig wurde am 27. April 1944 in einem aus Mailand kommenden Wagen mit Rohmaterialien für das Kleineisenwerk Salzgitter ein Paket mit 50 Broschüren gefunden, die den Titel tragen:

„Wie erhalte ich mich gesund?
Wegweiser für Junge und Alte.“

Die Druckschrift enthält Anweisungen, insbesondere für Soldaten, wie sie Krankheiten vortäuschen können. Inhaltlich stimmt die Schrift mit den Anweisungen aus der Broschüre "Krankheit rettet" von Dr. med. Wohltat überein.“

Das Wort kaiwe in Punkt 1b stammt aus dem alemannischen Dialekt und spricht für einen Schweizer oder einen deutschen Emigranten alemannischer Mundart.

 

 

 

 

 

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