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UNDERGROUND 11
Anweisungen des „Deutschen Volkssenders“ der Sowjets, März 1943
(Berlin, Bundesarchiv, R 58 Bd. 210, Bl. 96-97)

Reichssicherheitshauptamt, Amt IV, Meldungen wichtiger staatspolitischer Ereignisse, 1943, Nr. 1, 2. April 1943, Bl.2, eingeordnet unter „Feindpropaganda“.

„Der bolschewistische „Deutsche Volkssender“ erklärte in einer „Sondersendung für die Aktivisten der nationalen Friedensbewegung“, dass die „Totalmobilisierung“ mit der Mobilisierung des Volkes gegen Hitlers Krieg beantwortet werden müsse.

Die Organisierung der Volkskräfte zur gewaltsamen Beendigung des Krieges erfordere vor allem die Schaffung einer starken illegalen Organisation, die in den Rüstungsbetrieben ihre Volkskomitees und Vertrauensleute haben müsse.

Es genüge nicht mehr, zu meckern, denn es stehe zu viel auf dem Spiel. Jetzt müsse gehandelt werden, sei es durch Verweigerung der Sonntagsarbeit, häufige und umfangreiche Krankmeldungen oder Durchführung von Sabotageakten.

Aufgabe der „Aktivisten“ sei es, Streiks vorzubereiten und die Losung zu verbreiten:
“Ohne Arbeiterstreiks wird es keinen baldigen Frieden geben!“

Ferner stellte der „Deutsche Volkssender“ in einer Sendung an die Werkzeugschlosser, Dreher, Schweißer und Einrichter nach der Ankündigung:
„Wir rufen SK 7! Achtung SK 7!“
die Wichtigkeit der Facharbeiter im illegalen Kampf heraus und betonte ihre Bedeutung bei der Gewinnung der neueingetretenen Arbeiterschaft für die sogenannte „nationale Friedensbewegung“.

Er empfahl den Facharbeitern, bei der Anlernung der neueingestellten Arbeitskräfte folgende Regeln zu beachten:

Wenn Du einen Neueingestellten anlernen sollst, dann mache ihn auf die Gefahren der Maschine im besonderen und der Betriebsarbeit im allgemeinen aufmerksam! Gib ihm die Unfallvorschriften zu lesen und sage ihm, er soll äußerst vorsichtig sein!
Wenn die Neueingestellten keine Arbeitskleidung haben, dann sage ihnen, es sei doch schade, wenn sie ihre eigenen Kleider ruinieren! Sie sollten beim Meister oder im Betriebsbüro Schutzkleidung fordern.
Gib ihnen zu verstehen, dass es besser ist, wenn sie sich möglichst ungeschickt anstellen! Das schützt vor der Verantwortung, wenn einmal etwas kaputt geht oder nicht klappt.
Zeige ihnen, wie man am totalsten die Werkzeuge und die Maschine ruiniert, ohne dass der Meister etwas merkt!
Bringe ihnen die Kniffe bei, wie man Ausschuss macht, ohne dass es der Kontrolle gleich auffällt!
Sage ihnen, dass die Maschinen immer tüchtig geölt werden müssen und zwar an den falschen Stellen!
Gib ihnen zu verstehen, dass sie sich bei der Arbeit kein Bein ausreißen solllen, wenn sie ihre gesunden Knochen behalten wollen!
Sage ihnen, dass Überstunden schädlich sind für die Gesundheit und Sonntasschichten die Laune verderben!
Merke Dir diejenigen, die auf Deine gutgemeinten Ratschläge eingehen! Sie können für den Kampf für Frieden und Freiheit gewonnen werden.
Halte gute Kameradschaft mit allen, die dem Krieg ein Ende machen wollen! Boykottiere aber diejenigen, die vom Krieg noch nicht die Schnauze voll haben! Was mit denen zu machen ist, darüber sprechen wir später.“

Diese von der Gestapo leicht mitzuhörenden Anweisungen für die riskante Sabotage in den Betrieben hinterlassen einen zwielichtigen Eindruck. Sie entstammen einer Mischung aus sowjetischer Konzeption und deutscher KP-Mentalität.

Kein deutscher Kommunist oder Sympathisant für einen baldigen Frieden wird sich diesem plumpen Konzept angeschlossen haben. - Wenigstens ist es zu hoffen. - Er wäre nach wenigen Schritten in dieser Richtung verhaftet gewesen.

Was sollten dann diese provokatorischen, verräterischen Anweisungen für die Illegalität bringen? Womöglich gar nicht eine effiziente Arbeit gegen den Krieg, sondern viel eher die Verwirrung und Beschäftigung der Gestapo?

Jedenfalls wird ein fantasievoller Widerstand gegen die Kriegsproduktion damit eher behindert als gefördert worden sein

Solche kritischen Überlegungen zu äußern, ist im antifaschistischen Umfeld seit eh und je verboten, unter der Strafe, denjenigen als Provokateur und Faschisten und so weiter zu verschreien. – Heilige Einfalt!

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