(UNDERGROUND 18)
LETZTE STIMME AUS EINEM VIEHWAGGON AUF DER FAHRT IN DEN TOD
1942 fingen die Nazis an, die französischen Juden zu deportieren. Deren letzte Stimmen aus den Viehwaggons gingen unter. Eine Französin warf in Épernay (Champagne) ihren letzten Brief auf die Straße, der an den Schweizer Konsul von Lyon weitergereicht wurde und uns deshalb erhalten blieb.
„Ich weiß nicht, ob der Brief zu Ihnen gelangen wird.
Wir befinden uns in einem Viehwaggon.
Man hat uns selbst die allernotwendigsten Toilettenartikel weggenommen.
Für die dreitägige Fahrt haben wir kaum Brot, und Wasser gibt es nur tröpfchenweise.
Unsere Notdurft verrichten wir ungeniert am Boden, Frauen ebenso wie Männer.
Unter uns befindet sich eine Tote.
Als sie im Sterben lag, habe ich um Hilfe gebeten.
Man hätte sie retten können.
Doch die Waggons sind versiegelt,
und sie hat keine Hilfe erhalten.
Nun müssen wir den Totengeruch aushalten.
Uns wird mit Schlägen und Erschießungen gedroht.
Meine Schwester und ich ermutigen uns gegenseitig und bewahren trotz allem Hoffnung.
Ich umarme euch alle, die Kinder, die Familie und die Freunde.
Sarah.“
Daniel Bourgeois: Das Geschäft mit Hitlerdeutschland. Schweizer Wirtschaft und Drittes Reich. Aus dem Französischen. Zürich 2000, S. 220
- viehwaggon auf der kz-gedenkstätte schwäbisch-hall hessental, direkt am bahnhof