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UNDERGROUND 20

STARKE VERBREITUNG IM RUHRGEBIET

Wie stark die Wilde Opposition gegen die Nazis sich im Ruhrgebiet schon 1941 hatte entfalten können, geht aus dem Brief eines Ingenieurs, Berufsschullehrers, in Sterkrade an die Gestapo hervor. Mal heißt bei ihm die weit gestreute Gruppe Kittelbachpiraten, mal Edelweißpiraten.

„Sterkrade, den 8. Juli 1941.
Anläßlich der Abführung eines Berglehrlings in die Fürsorgeerziehung kam in meiner Klasse folgendes Gespräch in Gang:
„B. [der abgeführte Schüler Bergjungmann Anton B., Osterfeld, Wertfelstraße 2] gehört auch zu den Kittelbach-Piraten!“

Auf meine Frage nach der Bedeutung dieses Ausdrucks wurde mir folgendes von verschiedenen Schülern erzählt:

„Die K. P. [Kittelbachpiraten] kennt doch jedes Kind, die gibt es überall, da sind mehr drin [Mitglieder] als in der HJ. Die kennen sich auch alle untereinander, die halten schwer zusammen.“

„Was machen und wollen die denn?“

„Die verhauen die Streifen [Schutzpolizei], weil sie so viele sind, die lassen sich nichts gefallen. Arbeiten gehen sie auch nicht, die sind immer am Kanal, an der Schleuse.“

„Wer ist denn von uns dabei?“ P., K., J., aber auch viele Reiche, nicht nur Arbeiter, auch Mädchen.

„Woher wißt ihr das denn?“

„Die haben eine Uniform: Lederhose oder kurze Hose, weiße Strümpfe, Bauchriemen mit goldenen oder silbernen Nägeln, rotes Halstuch und Gelenkriemen mit Edelweiß. Darum heißen die auch Edelweiß-Piraten. Die haben auch Schlagringe und Pistolen, die haben vor keinem Angst.“

Da mir eine solche Organisation bisher unbekannt war, anderseits es eine Bandenbildung unter der Jugend vielleicht sogar auf kommunistisches Betreiben [K. P.] befürchten läßt, möchte ich Ihnen davon Mitteilung machen lund um entsprechende Weiterleitung bitten.
Gez. E. K.
Dipl.-Ing.“

(Detlev Peukert: Die Edelweißpiraten. Protestbewegungen jugendlicher Arbeiter im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Köln, Bund, 1980, S. 84)

 

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