haasis:wortgeburten

VOLKSBUCH DER VERSPOTTETEN PÄPSTE

Haasis, Hellmut G. / Jestrabek, Heiner (Hrsg.):
Volksbuch der verspotteten Päpste.
Mit fröhlich-surrealistischen Collagen
von Uli Trostowitsch.
Ein befreiendes Lachbuch
dem Vergessen entrissen.
Herausgeber und Verlagsgenosschaft,
Freiheitsbaum, Paris-Heidenheim-Ulm-Reutlingen 2011, 170
Seiten, 12 Euro. ISBN 978-3-922589-34-1

Giordano Bruno inmitten der römischen Bigotterie.
Illustration von Uli Trostowitsch

Matthias Reichert:
Wie Haasis den Papst bekehrt.

Achtung, hier werden religiöse Gefühle verletzt –
katholisch sozialisierte Menschen sollten diese Satire
besser nicht lesen.

Der Betzinger Autor Hellmut G. Haasis, bekannt
für spitze Attacken auf jedweden Zeit- und Ungeist,
hat mit Heiner Jestrabek ein „Volksbuch der
verspotteten Päpste“ herausgegeben, das den
Heiligen Stuhl mit Hohn und Häme überzieht.

Im Zentrum steht eine fiktive römische Zechtour
der schwäbischen Freidenker Gottfried Lepusis
und Enrico Marcard mit Benedikt XVI –
ausgerechnet am Todestag des tschechischen
Reformators Jan Hus, der 1415 auf dem
Scheiterhaufen landete.

Protokoll und Mitschnitt des feuchtfröhlichen
Gesprächs wollen die Herausgeber im Zug
von Mailand nach Zürich gefunden haben.

Erfunden ist das jedenfalls mit profunder
Quellenkenntnis: Joseph Ratzinger doziert
bei Weißbier, Radi und Leberkäs über
Kirchenkritiker, Kondome und den
päpstlichen Nachrichtendienst.

Er erinnert an seine Tübinger Jahre
(„der Erweckungsort für meine Papstmission“).
Der frühere Unirektor Johannes Neumann
bekommt sein Fett weg.

Hans Küng wird als einstiger Leser zweier
Buchseiten von Sigmund Freud, „diesem
sexbesessenen Dreckspatzen“, geoutet.

Auch der Fall des Reutlinger Professors
für Religionspädagogik Hubert Halbfas
wird aufgewärmt, dem 1968 die kirchliche
Lehrbefugnis entzogen wurde.

Die Satire erschöpft sich aber nicht im
Name-Dropping. In Regensburg, erinnert
sich der fiktive Benedikt, schockierte ihn
ein studentisches Protesttheater mit
Kirchenfahne auf einem Sarg – was sich
als infernalisches Schauspiel liest.

Die Protagonisten streiten über fleischliche
Auferstehung, ätzen über missbrauchte
Ministranten.

Das bald weidlich betrunkene Trio zieht
durch römische Kneipen, begleitet von
zwei Prostituierten.

Der Papst beichtet seine Sünden („ich sah
sie auf einer Wallfahrt, die Margarethe, ich
robbte hinter ihr die Kreuzwegstationen
hoch“), spricht über „Hosenkontrolle“ im
Priesterseminar mit anschließender
kalter Dusche gegen die fleischliche
Versuchung.

Am Ende wird der Petersdom vom Blitz
abgefackelt, Benedikt sucht Gott, doch
ihm fällt nur eine Heiligenfigur auf die Füße.

Zuletzt haben die Freidenker den Papst
zum Unglauben bekehrt, gemeinsam
macht man sich auf in den vatikanischen
Weinkeller.

Es folgen historische Papst-Satiren.
Haasis hat eine Schmähschrift von 1792
über eine „Reise des Papstes in den
Himmel und in die Hölle“ ausgegraben,
welche die Verfehlungen der Nachfolger
Petri genüsslich ausschlachtet.

Jestrabek schreibt über die Geschichte
der Französischen Revolution und ihrer
antiklerikalen Beiträge.

Weiter findet sich eine frivole venezianische
„Lustreise des künftigen Papstes Leo X.
ins neue Messbuch“ aus dem frühen
16. Jahrhundert. Darin treibt es der
spätere Heilige Vater mit vier Nonnen.

Uli Trostowitsch montiert in surrealen
Collagen Papst Benedikt XVI. zwischen
Weißbierflaschen und einen Sexshop,
die heiligen Hallen des Vatikans ziert
eine überdimensionale Tarantel.

Pfui Spinne – Spötter kommen auf ihre
Kosten, Gläubige dürften nach der
Heiligen Inquisition rufen.

(Schwäbisches Tagblatt, Tübingen,
13. Mai 2011, S. 39)

 

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