Der französische Publizist und alte WiderstandskämpferRichardot (Jean-Pierre Richardot: Die andere Schweiz. Eidgenössischer Widerstand 1940-1944, Berlin 2004) verweist dafauf, wie der Schweizer Nachrichtendienstoffiziers Hausamann (”Ha”) im November 1939 Otto Strassers Auslieferung an Hitlers verhinderte. Die eidgenössischen Zeitungen wussten davon nichts.
“8. November 1939: Hitler entgeht im Münchner Bürgerbräukeller knapp einem Attentat. Man zählt sieben Tote und dreiundsechzig Verletzte. Die Deutschen erklären sogleich, die Verantwortung für das Attentat sei bei Otto Strasser zu suchen, einem deutschen Nazigegner, der seit 1933 als Flüchtling mit seiner Familie in der Schweiz lebt.
Hausamanns Dienstvorgesetzter, Oberstleutnant Masson (der Schweizer Geheimdienstchef) schickt “Ha” folgenden Befehl: “(Ich) bitte Sie, Herrn Strasser Otto unverzüglich darüber zu informieren, dass er die Schweiz freiwillig so schnell wie möglich zu verlassen hat, wenn möglich noch heute morgen. Dieser Entscheid ist unwiderrufliclh. Ich gebe Ihnen den ausdrücklichen Befehl. (...) Teilen Sie mir so bald wie möglich mit, dass der vorliegende Befehl ausgeführt wurde. Es geht um die höheren Interessen unseres Landes.”
Trotz dieses ausdrücklichen Befehls, der zugleich von Masson und von der Regierung (vom Politischen und vom Justiz- und Polizeidepartement) ausgeht, beschließt Hans Hausamann eigenmächtig, dass das Interesse des Landes ein anderes ist, und verweigert den Gehorsam. Er ruft Oberstleutnant Masson an, um ihm das mitzuteilen.
HAUSAMANN: “Herr Oberst, eben bekomme ich Ihr Fernschreiben in Sachen Strasser.”
MASSON: “Ich habe Ihnen doch gesagt, dass dieser Befehl unwiderruflich und undiskutabel sei. Warum rufen Sie mich trotzdem an?”
HAUSAMANN: “Herr Oberst, um Ihnen zu sagen, dass ich diesen Befehl nicht ausführe. Ich bin kein Henkersknechtshelfer.”
MASSON: “Das ist Befehlsverweigerung.”
HAUSAMANN: “Ich weiß es und nehme die Konsequenzen auf mich.”
MASSON (nach einer Weile lachend): “Sie sind doch immer der gleiche. Reden Sie halt einmal mit Rothmund” (dem Chef der Eidgenössischen Polizeiabteilung im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement).
Sogleich ruft Hausamann Rothmund an, einen Beamten, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
HAUSAMANN: “Ich teile Ihnen mit, dass ich beschlossen habe, Massons Befehl nicht auszuführen.”
ROTHMUND: “Dann lasse ich Strasser polizeilich abholen und an die Grenze stellen.”
HAUSAMANN: “Dazu kommen Sie zu spät. Ich habe Strasser bereits so gut versteckt, dass selbst das größte Polizeiaufgebot ihn nicht findet. Ich sehe jedoch ein, dass Strasser nach der Lage der Dinge das Land verlassen musst, jedochnicht nach Deutschland. Ich werde ihm die Ausreise nach Frankreich vermitteln, und zwar auf der Schweiz würdige Weise.”
ROTHMUND: “Gut, ich gebe Ihnen dafür drei Tage Zeit.”
(Richardot S. 76/77; er beruft sich auf Alphons Matt: Zwischen allen Fronten. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht des Büro Ha. Frauenfeld 1969, S. 40 und S. 49f. Übrigens befinden sich die hochinteressanten, aber nicht immer unproblematischen geheimen Nachrichten, die Hausamann teilweise sogar aus Hitlers Hauptquartier bekommen haben soll, im Original und in Kopien in Freiburg/Breisgau, Militärarchiv, und in Bern, Schweizerisches Bundesarchiv. Mit Elser selbst können die Schweizer Historiker bis heute nichts anfangen.)